Eine Geste der Menschenwürde
Kommern | Ortsverband Mechernich des „Rotkreuz-Kreisverbandes Euskirchen“ putzte Kommerner „Stolpersteine“ wieder zu altem Glanz – Denkmäler für Opfer des NS-Regimes - Organisiert von Sascha Suijkerland und Rainer Schulz - Junge Ehrenamtler schritten gut gelaunt zu guter Tat
Mechernich-Kommern – „Gerta Schwarz, Jahrgang 1912, Flucht 1939, USA“. „Flora Levano, Jahrgang 1886, deportiert 1941, ermordet in Lodz“. „Lilly Kaufmann, Jahrgang 1910, Flucht 1938, England“. Eingraviert in glänzende Messingplatten, genannt „Stolpersteine“, erinnern diese Namen und Daten im Kopfsteinpflaster Kommerns an Menschen, die nur aufgrund ihrer jüdischen Herkunft vor nicht einmal einem Jahrhundert diskriminiert, verfolgt oder in menschenverachtenden Konzentrationslagern der Nationalsozialisten systematisch getötet wurden.
Erschaffen im Jahre 1995 von dem Künstler Gunther Demnig prangen die mittlerweile über 100.000 Steine im Boden vieler Städte in Deutschland und darüber hinaus. Vor Häusern, in denen diese Menschen einst lebten. Sie erinnern an eine der dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte und mahnen still davor, dass sie sich nie wiederholen möge.
Nach Jahren der Witterung und passierender Fußgänger ist es jedoch normal, dass sie ein Belag überzieht, der die Namen der NS-Opfer immer unleserlicher macht. Um die kleinen Denkmäler wieder zu altem Glanz zu bringen, hat sich der Mechernicher Ortsverband des „Rotkreuz-Kreisverbandes Euskirchen“ nun dazu entschieden, alle 42 Kommerner Steine in einer Gemeinschaftsaktion zu putzen.
„Putzkurs“ vor dem Fahrradladen
Auch windig-nass-kaltes Herbstwetter schreckte die zehn ehrenamtlichen Rotkreuzler dabei nicht ab, die mit ihrem Bereitschaftsleiter Sascha Suijkerland unterwegs waren. Einen Tag zuvor hatte der Verband noch Spenden für die Kriegsgräberfürsorge gesammelt.
Suijkerland hatte sich im Vorfeld mit Rainer Schulz aus Kommern abgesprochen, einem aktiven Mitglied der „Projektgruppe Forschen-Gedenken-Handeln“. Schon seit Jahren setzt sich diese für die Erinnerungskultur im Mechernicher Stadtgebiet ein, organisiert beispielsweise Gedenklesungen, neue „Stolperstein“-Verlegungen oder arrangiert Besuche von Nachfahren der NS-Opfer in Kommern. So zum Beispiel von Erica Schwarz und ihrem Ehemann Chris Bailey aus Boston (USA) vor wenigen Monaten, die auf den Spuren von Gerda Kaufmann, Ericas Großmutter die in Kommern aufwuchs und flüchten musste, wandelten.
Mit ihm trafen sich die Rotkreuzler nun vor seinem Fahrradladen in der Kommerner Gielsgasse, wo Schulz sie mit Schwämmchen, Lappen, und Politur ausstattete. Daraufhin zeigte er der gemischten Truppe aus engagierten jungen Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern erst einmal, wie so ein Stein wieder richtig schön glänzt.
Ermordet wegen 1.000 Reichsmark
Auf die Frage Sascha Suijkerlands, ob denn auch wirklich alle wüssten, was die „Stolpersteine“ bedeuteten, zeigte sich noch so manches fragende Gesicht. Und so erklärten Schulz und er noch einmal die schreckliche Geschichte hinter den Steinen.
Schulz tat dies anhand seines Wohnhauses, in dem Eva und Lilly Kaufmann gelebt hatten, die schließlich vor dem NS-Regime flüchten mussten. Gustav und Elvira Kaufmann konnten ihre beiden Töchter rechtzeitig freikaufen, für ihre Eltern konnten die jungen Frauen die benötigten 1.000 Reichsmark aber leider nicht rechtzeitig an die Nazis bezahlen. Gustav und Elvira wurden deportiert und grausam ermordet.
Auch die Projektgruppe, die er mit Gisela und Wolfgang Freier sowie Elke Höver betreibt, stellte er kurz vor. „Gerade in der heutigen Welt ist das wichtiger denn je“, so Schulz.
„Hass und Hetze Einhalt gebieten“
DRK-Bereitschaftsleiter Sascha Suijkerland war mit ihm einer Meinung: „Die »Stolpersteine« sind ein Zeichen dafür, dass hier Menschenwürde missachtet wurde. Sie ist der erste Artikel unseres Grundgesetzes und das wichtigste, was wir haben. Sie gilt es besonders zu schützen und Hass und Hetze Einhalt zu gebieten. Und das fängt schon im direkten Umfeld an, beispielsweise bei Mobbing. Wenn jeder für sich etwas dazu beiträgt, wäre die Welt schon ein viel besserer Ort. Darum unterstützen wir diese sinnvolle Aktion sehr gerne!“
Victoria Bursch vom DRK-Ortsverband stimmte zu: „Das ist eine wirkliche gute und wichtige Sache. Dabei kann man sich selbst wieder etwas erden und gleichzeitig dazu beitragen, dass den Menschen bewusst bleibt, was hier einst geschah.“ „Zu vergessen ist das Schlimmste, was passieren kann“, so Suijkerland nickend.
Teamwork und gute Laune
Dann ging es los. Die Rotkreuzler schnappten sich Putzzeug und Taschenlampen, teilten sich in drei Gruppen auf und zogen stilecht in ihrer gut erkennbaren Einsatzkleidung hinaus in die Kommerner Nacht. Gut gelaunt putzten sie jeden einzelnen „Stolperstein“ Stück für Stück wieder glänzend. Nicht jeder Stein war in der Dunkelheit leicht zu finden und so durchquerte man teils den halben Ort zu Fuß. Hier traf man aber einige Kommernerinnen und Kommerner, die sich über den Einsatz der jungen Ehrenamtler freuten und bereitwillig Auskunft zu weiteren „Stolpersteinen“ in der Nähe gaben.
Im ganzen Kreis Euskirchen hat das hiesige Rote Kreuz bereits viele „Stolpersteine“ wieder gold-glänzend geputzt und wird dies auch in Zukunft mit viel Herzblut tun - so zum Beispiel bald in Mechernich und Strempt - damit das grausame Schicksal vieler unschuldiger Seelen niemals in Vergessenheit gerät.
pp/Agentur ProfiPress