Euskirchen - Ihr seid willkommen
Im Juni 2015 startete beim Roten Kreuz im Kreis Euskirchen ein Projekt, um Flüchtlinge am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben zu lassen – Unterstützung durch die Aktion Mensch
Kreis Euskirchen – Flüchtlingswelle? Die gibt es doch erst seit Ende 2015. So ungefähr dürfte es ein Großteil der Bevölkerung wahrgenommen haben, als innerhalb weniger Monate, im Spätsommer 2015, mehr als eine Million Flüchtlinge in Deutschland ankamen und um Asyl baten. Experten, etwa von Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, hatten zwar mit einer Zunahme der Flüchtlingszahlen gerechnet. „Aber dass es sich so zuspitzt konnte niemand wissen“, erzählt Barbara Fischer, Leiterin der Integrationsagentur des hiesigen Roten Kreuzes.
Bereits im Jahr 2014 hatten sich die Flüchtlingszahlen im Kreis Euskirchen gegenüber 2013 mehr als verdoppelt – von 341 auf 757. Barbara Fischer sah bereits zu dem Zeitpunkt die Notwendigkeit, dass man diesen Menschen, die ihr bisheriges Leben zurückgelassen hatten und aus ihrer Heimat geflohen waren, helfen muss. „Ich stellte mir die Frage, wie man Menschen mit Fluchthintergrund an der Gesellschaft und dem kulturellen Leben teilnehmen lassen kann. Es sollte etwas Nettes sein für die die kommen“, erzählt Fischer. Die Idee des Projekts „You Are Welcome“ (deutsch: Ihr seid willkommen“) war geboren.
Innerhalb des Roten Kreuzes wurde es sofort toll aufgenommen. „Ich wurde immer unterstützt“, sagt sie. Mitstreiter fand sie bei der Aktion Mensch, die Personen, die Gefahr laufen, ins Abseits zu rücken, hilft. Gemeinsam mit dem DRK-Sozialarbeiter Simon Jägersküpper, der für die Medienarbeit und für die Ideenentwicklung zuständig ist, startete Barbara Fischer als Koordinatorin im Juni 2015 mit „You Are Welcome“, also zu Beginn der großen Flüchtlingswelle, an deren Ende im Kreis Euskirchen mehr als 2400 Menschen eine Bleibe suchten.
„Eines unserer ersten Projekte war das Mosaik an der Olef in Schleiden. Damals holte sie die Künstlerin Maf Räderscheidt mit ins Boot, die seit März mit einer halben Stelle festes Mitglied des Teams ist und künstlerische Projekte leitet. Bei Bürgermeister Udo Meister rannte Räderscheidt offene Türen ein, er unterstützte das Mosaik-Projekt ohne zu zögern. „Die Stimmung war zu dem Zeitpunkt noch anders als heute. Damals herrschte der Eindruck: Die Flüchtlinge machen was für uns“, erzählt Fischer.
Neben dem You-Are-Welcome-Projekt engagierten sich im gesamten Kreis Euskirchen Ehrenamtliche für die Neuankömmlinge. „Alle gemeinsam haben ganz viel geschafft“ erzählt Fischer.
Seit dem Bestehen einiges geschafft
Das You-Are-Welcome-Projekt des Roten Kreuzes hat seit seinem Bestehen tatsächlich einiges geschafft: Ausstellungen, Ausflüge, Sport-Events oder einfach nur Begegnungstage mit Picknick, Grillen, Fußballspielen oder Frühstück, dazu die Teilnahme am Friedensfest in Euskirchen oder der Interkulturellen Woche im Kreis. Ein Anlaufpunkt ist auch die Euskirchener Kampfsportschule des Syrers Baker Barakat, immerhin mehrfacher Weltmeister im Kick-, Thai- und Muay-Thai-Boxen. „Er spricht die Sprache der Flüchtlinge, er kann mit denen reden“, meint Fischer.
Besonders beliebt ist der Yoga-Kursus für Frauen. „Grundsätzlich ist es bei Frauen so: Wenn sie die Möglichkeit haben, sind sie mit Eifer dabei. Denn gerade die Integration von Frauen ist wichtig, weil sie die ersten Kontaktpersonen für ihre Kinder sind.“ Gelingt die Integration nicht, droht die Gefahr einer nicht gewünschten Parallelgesellschaft. „Niemand soll außen vor bleiben, sonst funktioniert das nicht“, sagte Fischer.
Dabei ist sich Barbara Fischer immer bewusst: Die Freizeitgestaltung hat für die Flüchtlinge keine Priorität. Im Vordergrund von „You Are Welcome“ stehen deshalb nicht Fragen wie: Wie kann ich Kunst machen oder wie kann ich Fußballspielen? Selbst Deutschlernen und die Arbeitssuche stehen nicht im Mittelpunkt. Vielmehr soll das Projekt die Flüchtlinge auf kreative Art und Weise fördern, sich mit dem Thema Integration auseinanderzusetzen. Und es soll die Teilnehmer auch von ihren Sorgen ablenken.
Aktuell gestalten Asylbewerber mit dem Roten Kreuz das Flüchtlingshaus in Vogelsang. Ziel dieses Projekts: Junge Menschen sollen sich in die Lage versetzen können, wie das ist, wenn man von jetzt auf gleich sein Leben maximal verändern muss. „Das kann nur hilfreich sein“, erklärt Barbara Fischer, denn „Wir haben das große Glück, nicht flüchten und die Heimat verlassen zu müssen.“
Auch wenn die Zahl der Flüchtlinge im Kreis Euskirchen nicht mehr so rasant wächst wie noch vor einem Jahr, gibt es für das You-Are-Welcome-Projekt und seine Mitstreiter sowie für alle Flüchtlingshilfen genug zu tun. „Ich bin zunächst für die Gruppe der Flüchtlinge froh, dass sich die Situation entspannt hat“, sagt Barbara Fischer. Doch die große Aufgabe, diesen Menschen Möglichkeiten zu geben, an der Gesellschaft zu partizipieren, die ist noch lange nicht abgeschlossen.
pp/Agentur ProfiPress