Euskirchen - Rotkreuzler zurück aus Sri Lanka
Winfried Dederichs und Thomas Schwarzer besuchten die 13 Kindergärten und die „Eifel Dispensary“ in der Nähe von Batticaloa – Die Regenzeit ließ die Inspektionsreise zu einem anstrengenden Unterfangen werden
Kreis Euskirchen – Fünf Jahre ist es her, als am 26. Dezember 2004 ein Seebeben im Indischen Ozean einen Tsunami auslöste, dessen Flutwellen verheerende Schäden in Küstenregionen am Golf von Bengalen, der Andamanensee und Südasien verursachten. Insgesamt starben etwa 230 000 Menschen. Über 110 000 Menschen wurden verletzt, und über 1,7 Millionen Einheimische rund um den Indischen Ozean verloren ihr Zuhause.
Groß war nach dieser Katastrophe die Hilfsbereitschaft in der ganzen Welt, aber auch im Kreis Euskirchen. Der Geschäftsführer des Roten Kreuzes, Rolf Zimmermann, erinnert sich: „Unter der Schirmherrschaft des Landrates und der Regie des Roten Kreuzes arbeiteten damals alle Wohlfahrtsverbände und Hilfsorganisationen zusammen. 110 000 Euro wurden bereitgestellt, die zehn Jahre lang für diverse Projekte in Sri Lanka reichen sollten.“ Allen sei klar gewesen, dass man keine Soforthilfe vor Ort leisten könne, dass aber langfristige Wiederaufbauprojekte sinnvoll seien. So entschied man sich, zwei Schwerpunkte zu setzen, nämlich in Sri Lanka Kindergärten zu renovieren bzw. neu zu bauen sowie dort eine Ambulanzstation einzurichten. In Sri Lanka waren durch den Tsunami große Teile der Ost-, Süd- und Westküste südlich von Colombo zerstört. 45 000 Menschen verloren ihr Leben.
Seither sind fünf Jahre ins Land gezogen. Das gespendete Geld ist so gut wie aufgebraucht, denn durch den Bürgerkrieg sind die Preise zum Teil um das 300-fache gestiegen. Das Rote Kreuz lässt sich davon aber nicht abhalten, auch weiterhin Spendengelder für die Projekte zu sammeln und einmal im Jahr ein Team mit zwei Leuten runter nach Batticaloa zu schicken, das vor Ort die mittlerweile 13 Kindergärten, die zum Teil nur aus einem Raum mit Dach bestehen, und die Ambulanzstation inspiziert. Darüber hinaus werden stets notwendige Ausrüstungsgegenstände für die Einrichtungen besorgt. „Gekauft wird alles vor Ort, meist in der Hauptstadt Colombo, da ist es am billigsten“, so Zimmermann.
Vom 1. bis zum 19. Dezember waren jetzt die beiden Rotkreuzler Winfried Dederichs und Thomas Schwarzer im Osten der Insel unterwegs. Beide sind echte Profis, was diese anstrengende Mission angeht. Der 28-jährige Thomas Schwarzer war schon sieben Mal in Sri Lanka, der Nettersheimer Gemeindebrandmeister Winfried Dederichs vier Mal. Doch beide waren nie zuvor während der Regenzeit auf der Insel gewesen. „Eigentlich herrscht in unserem Einsatzgebiet eher Wüste, jetzt aber war alles überschwemmt, mit grünen Reishalmen bewachsen, und es schüttete wie aus Kübeln“, berichtet Dederichs. So erlebten die beiden chaotische Zustände: Permanent waren die Straßen überschwemmt, einer von ihnen musste meist zu Fuß vorangehen, um tiefe Schlaglöcher ausfindig zu machen, die dem Wagen gefährlich werden konnten. Manchmal drückte das Wasser sogar zur Autotür herein. Ihre Kleidung wurde so gut wie nicht mehr trocken.
Schlimme Unfälle
Die beiden mussten auch schlimme Unfälle mit ansehen. So erlebten sie, wie ein Auto mit Hochzeitsgästen in einen Bus krachte, Bräutigam und Fahrer waren auf der Stelle tot. Oder ein Linienbus verlor während der Fahrt seine komplette Hinterachse. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte Schwarzer und zeigt im Euskirchener Rotkreuz-Zentrum ein Bild, das den Unfall dokumentiert. Aber auch die beiden Aktivisten selbst, die schon seit zehn Jahren für das Rote Kreuz aktiv sind, erlitten einen Unfall. „Aufgrund der tiefen, mit Wasser gefüllten Schlaglöcher auf den Straßen, behilft man sich nämlich auf Sri Lanka damit, Pfosten als Warnzeichen in die Schlaglöcher zu betonieren“, berichtet Dederichs. Leider habe der Fahrer ihres Wagens diesen Pfosten aber zu spät bemerkt und ihn gerammt. Für alle Beteiligten ging der Unfall allerdings glimpflich aus. Aber auch auf den wenigen trockenen Straßen des Landes musste man stets mit dem Schlimmsten rechnen. „Manchmal lag hinter einer Kurve einfach eine Herde Kühe auf der Straße, da half nur noch eine Vollbremsung“, so Dederichs weiter. Selbst eine Fähre, die sie kurz zuvor samt Transporter noch benutzt hatten, ging wenig später unter. „Glück gehabt“, kommentieren die beiden lakonisch.
Doch das Schlimmste waren die Moskitos. Dutzende von Einstichen zählte Dederichs jeden Tag aufs Neue an seinen Beinen. Da er aber immer wieder durch Wasser waten musste, litt er schon bald an zahlreichen schmerzhaften Entzündungen, in die die Moskitos anderntags erneut hineinstachen. Kollege Schwarzer hatte hingegen massive Probleme mit dem Magen, und das alles trotz oder gerade wegen Malaria-Prophylaxe, Tetanus- , Hepatitis-, Diphterie- und Tollwutimpfung. Dennoch ließ sich Schwarzer jeden Abend brav von den Einheimischen zum extrem scharf gewürzten Essen einladen. Und bei den Kigas ließ er auch in der Früh nie die Peperoni-Frikadelle, den Kuchen, die Banane und die Cola aus, die ihm traditionell zur Begrüßung gereicht wurden.
„Wir haben nach und nach alle 13 Kindergärten abgefahren“, erzählt Schwarzer. Vor Ort wurde ermittelt, ob es beispielsweise an Schreibmaterial mangelt, ob die Kinder einen CD-Wechsler brauchen, um zu Musikstücken zu tanzen, ob Schränke und Möbel fehlen, oder ob einfach das Dach mal wieder erneuert werden muss. Gleichzeitig leiteten die beiden Rotkreuzler alles in die Wege für einen weiteren Kindergarten, der mitten im Dschungel errichtet wird, und der bereits Ende Januar fertiggestellt sein soll. „Wichtig ist, dass die Öffnungen mit Maschendraht versehen werden“, so Schwarzer. Ansonsten kämen in der Nacht die Elefanten und würden die Kindergärten nach Essbarem durchwühlen.
500 Kinder versorgt
Alle Kindereinrichtungen wurden in den letzten fünf Jahren nach und nach mit Spielgeräten wie Schaukeln, Rutschen und einem kleine Karussell ausgerüstet. Sie verfügen über Brunnen und Toiletten. „20 bis 90 Kinder gehören zu einer Einrichtung“, berichtet Schwarzer, insgesamt seien es gut 550 Kinder, die auf diese Weise versorgt würden. Darunter sind auch zwei Einrichtungen für behinderte Kinder. „Es gibt besonders viele Taubstumme und Schwerhörige in Sri Lanka, das ist ein großes Problem“, teilt Dederichs mit. Er bittet daher die Menschen im Kreis Euskirchen, die noch ein altes Hörgerät besitzen, dieses beim Roten Kreuz abzugeben.
Besonders stolz sind die Rotkreuzler auf die Krankenstation, die 20 Kilometer entfernt von Batticaloa in einem kleinen Fischerdörfchen existiert. „In einer Art Einfamilienhaus residieren ein Arzt, ein Apotheker, eine Schreibkraft und ein Nachtwächter“, so Dederichs. Personal und Medikamente zahlt das Rote Kreuz. Gut 60 bis100 Personen lassen sich hier jeden Tag behandeln oder werden in das fünf Kilometer entfernte Krankenhaus überwiesen. Für Notfälle stehen auch zwei Krankenbetten zur Verfügung. „Hierher kommen Menschen mit Hautkrankheiten, Fußverletzungen, Wurmerkrankungen, aber auch Erkältungskrankheiten“, weiß der Nettersheimer zu berichten. Das „Eifel Dispensary“, so steht es auf einer Tafel vor der Ambulanz, verfügt über eine eigene Brunnenanlage und einen eigenen Wassertank. Die Rotkreuzler haben jedoch noch mehr mit der Krankenstation vor. „Hier sollen demnächst auch Workshops und Kurse stattfinden, um die Bevölkerung in Sachen Gesundheitsfürsorge aufzuklären“, so Schwarzer.
Vor Ort arbeitet das Rote Kreuz mit Reverend Ranchan zusammen, einem methodistischen Priester, der dafür sorgt, dass die Einrichtungen in Ordnung bleiben. Neben den Inspektionen gab es berührende Vorführungen mit Gesängen und Tänzen, die die Kinder einstudiert hatten. Beide Gäste wurden darüber hinaus immer wieder mit Blütenkränzen geschmückt.
Untergebracht waren Dederichs und Schwarzer bei einem Privatmann in Batticaloa, der eine Pension mit fünf Zimmern betreibt. „Es gab ein Bett, eine Garderobe, einen Schreibtisch, und wenn mal die Sonne schien, dann war sogar das Wasser aus dem Dachbehälter schön warm“, lachen die beiden.
Rolf Zimmermann zeigte sich froh, dass seine beiden Kollegen nach all den Anstrengungen und Strapazen wieder gesund zurückgehrt sind. „Solange noch Leute von uns bereit sind, da runter zu fahren und sich vor Ort einzusetzen, solange werden wir die Projekte in Sri Lanka auch fortsetzen“, versprach er.