Kreis Euskirchen - Übersetzungen als gelebte Integration
DRK-Kreisverband, Caritas-Kreisdekanat und Jugendmigrationsdienst unterzeichnen Kooperationsvertrag mit dem Kommunalen Bildungs- und Integrationszentrum
Kreis Euskirchen – Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele. Dieses Zitat von Friedrich Wilhelm Raiffeisen beschreibt nicht nur, wie eine Genossenschaft arbeitet, es lässt sich auch auf viele Bereiche des Lebens abbilden. Ein gutes Beispiel ist der Übersetzerpool des Kommunalen Bildungs- und Integrationszentrums (Kobiz) des Kreises Euskirchen.
Lange Zeit haben Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Caritas oder der Jugendmigrationsdienst (JMD) selbst Übersetzer gestellt. „Die Idee, Übersetzer zu stellen, hatte 2016 unsere damalige Leiterin der Integrationsagentur Barbara Fischer. Gemeinsam mit dem JMD haben wir das dann ins Leben gerufen“, sagte DRK-Kreisgeschäftsführer Rolf Klöcker. Doch innerhalb von vier Jahren sei der Aufwand enorm gestiegen, ein Alleingang war nicht mehr möglich.
Norbert Weber (JMD) ergänzt: „Jeder hatte ein paar Übersetzer, die wenige Sprachen abdeckten.“ Jetzt, wo alles im Kobiz gebündelt wird, sieht das anders aus. 132 Übersetzungshelfer stehen in insgesamt 44 Sprachen zur Verfügung. Alle dieser Helfer machen das ehrenamtlich, niemand ist echter Dolmetscher, die meisten haben einen Migrationshintergrund, manche davon sind Flüchtlinge, die zum Dank etwas zurückgeben möchten.
Die Zahl der Anfragen ist ständig steigend. Gab es 2018 noch insgesamt 615 Stück, sind des in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits 568. Diese Flut an Anfragen sei ohne die Bündelung im Kobiz nicht zu organisieren, drückte es Manfred Poth, allgemeiner Vertreter des Landrats aus. Für ihn ist der Übersetzungspool ein gelungenes Beispiel für eine Kooperation im Kreis Euskirchen. „Der Übersetzungspool zeigt, gut etwas funktionieren kann, wenn man zusammenarbeitet“, ergänzt Carsten Düppengießer von der Caritas.
Anmeldung per Internet
2017 wurde der Übersetzerpool beim Kobiz ins Leben gerufen, in Kooperation mit dem DRK-Kreisverband, dem Caritas-Kreisdekanat und dem JMD. Diese Kooperation wurde nun schriftlich erneut. Seit 2018 wird der Übersetzerpool vom Landes-Familienministerium gefördert. Nermeen Franke, die beim Kobiz mit Florian Schröter den Pool koordiniert, nennt als Einsatzgebiete Ämter, Kitas, Schulen, Beratungsstellen, aber auch Privatpersonen. Die Anfragen nach Übersetzungen kommen zu 99 Prozent von öffentlicher Seite, noch telefonisch, demnächst wird aber eine Anmeldung per Internet bevorzugt, und zwar mindestens fünf Tage im Voraus. Ausgeschlossen sind allerdings Gerichtstermine, denn weil es sich bei den Übersetzern um keine ausgebildeten Dolmetscher handelt, sind die Übersetzungen nicht gerichtsfest.
Eine „Entlastung für die Familien“ seien die ehrenamtlicher Fremdsprachenübersetzer. Nicht selten kommt es vor, dass Kinder, die schon gut Deutsch sprechen, als Übersetzer für die Eltern herangezogen werden und dann über Dinge sprechen müssen, die eigentlich nicht für Kinderohren gedacht sind, berichtet Boris Brandhoff von der DRK-Integrationsagentur.
Aber auch die Kobiz-Übersetzer werden geschult, und zwar beim DRK. Weil sie oft Schicksale der Kunden mitbekommen, kann es sein, dass sie sich persönlich involviert fühlen und helfen wollen. „Werden Übersetzungshelfer gemäß ihrer Rolle eingesetzt? Wo liegen ihre Grenzen? Nehme ich den Auftrag so wahr, wie es vorgesehen ist?“, nennt Brandhoff einige Fragen.
Einer der Übersetzer ist Jaunach Dandal. Vor etwas mehr als drei Jahren ist er aus Syrien nach Deutschland gekommen. Bei der Caritas hat er Deutsch gelernt. Anschließend hat er sich als Dolmetscher gemeldet, um anderen Flüchtlingen zu helfen. Er begleitet sie ins Jobcenter, zum Arzt oder zum Sozialamt, auch bei Beratungsgesprächen ist er mit dabei. Für ihn ist der Einsatz der erlernten Sprache vor allen Dingen eines: gelebte Integration.
pp/Agentur ProfiPress