Mechernich - 450 Lebensretter in der Zikkurat
Längst Routine, aber der Ansturm bleibt enorm: Vierter Blutspende-Marathon des Roten Kreuzes in der Firmenicher Freizeit- und Kulturfabrik Zikkurat
Blutspender Mechernich-Firmenich – Bei der Premiere 2006 war der „Blutspende-Marathon“ in der Firmenicher Kultur- und Freizeitfabrik Zikkurat noch eine Sensation. Vereins-, Feuerwehr- und THW-Teams strömten damals in großen Gruppen zum kollektiven Aderlass. Insgesamt wurden weit über 600 Blutspender in der traditionsgemäß an Blutspenden armen Sommerzeit zur Ader gelassen.
Zwar ist die „Neulust“ längst verflogen und spektakulär ist der „Blutspende-Marathon“ wohl auch nicht mehr – dennoch ist die Bereitschaft, zu helfen, ungebrochen. Obwohl man den Termin mittlerweile in die Sommerferien verlegt hat, waren es auch am Sonntag 450 Blutspender, darunter 86 Erstspender, die den Weg in die Zikkurat fanden. Dort hatten Rotes Kreuz im Kreis Euskirchen und Zikkurat-Firmen wiederum weder Kosten noch Mühen gescheut, um den Blutspendern ein möglichst angenehmes Umfeld für ihre wirklich lebensrettende Gabe zu bieten.
So hatten Eifel-Therme Zikkurat, „Big Bowl“, „Sportwelt Schäfer“, „Foto Heinen“, „TON-Fabrik“ und das „Restaurant I im La Fornace“ wieder jede Menge Rabatte und Freikarten für die Spender gestiftet. Vor der Zikkurat hatten Rotes Kreuz und Feuerwehr ihren Fuhrpark zur Besichtigung aufgefahren – und die Rettungshundestaffel des Roten Kreuzes gab Anschauungsunterricht am lebenden Objekt.
1200 Eier, 150 Liter Suppe, 600 belegte Brötchen und 400 Teilchen
Last bot least war der Betreuungsdienst des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen einmal mehr zur Stelle, um die Blutspender mit kaltem und warmem Buffet zu verwöhnen. Angelika Schmitz und ihre ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer hatten 1200 Eier, 150 Liter Gulaschsuppe, 600 belegte Brötchen, 400 Teilchen sowie Obst und Rohkost in rauen Mengen aufgefahren. Damit war die in Jahrzehnten erprobte Crew für den Ansturm von 600 Menschen gerüstet.
Zu den Spendern gehörte auch Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, der Wert darauf legte, nicht bevorzugt behandelt zu werden. Schick reihte sich ebenso in die Reihe der Wartenden ein, wie Ramtin Khazdouzian, der Geschäftsführer der Kultur- und Freizeitfabrik Zikkurat, Eifeldekan Erik Pühringer und andere Prominente.
Einmal mehr wurden verschiedene Gruppierungen und Firmen registriert, die ihre Mitglieder beziehungsweise Belegschaften in möglichst großer Zahl zur Blutspende gebeten hatten. Den fünf teilnehmerstärksten Gruppen winkten gemeinsame Freispiele und Bewirtungen im Bowling- und Entertainmentcenter „Big Bowl“ der Kultur- und Freizeitfabrik Zikkurat.
Sieger mit 23 Spendern war die Freiwillige Feuerwehr Mechernich-Obergartzem, gefolgt von 20 größtenteils weiblichen Spendern des Siemens-Schuhcenters Euskirchen. Auf den Plätzen folgten Feuerwehr Euskirchen, St.-Josefshaus Bad Münstereifel, die Feuerwehren Nöthen und Zingsheim sowie der SC Enzen-Dürscheven.
„200 Liter Blut sind mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“
„Viele potenzielle Blutspender sind momentan im Urlaub“, schreibt Joachim Sprothen im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Zahl der Tumor- oder Herzpatienten, für die 50 Prozent aller Konserven benötigt werden, habe aber nicht abgenommen: „Daher wurde der vierte Blutspende-Marathon - wie schon die beiden vorangegangenen Auflagen - bewusst in die Ferienzeit gelegt. Dass weniger Leute kommen könnten, wurde angesichts des Konservenmangels in Kauf genommen. Wer jetzt auf eine Blutspende angewiesen ist, kann sich halt schwerlich bis zum Ende der Ferienzeit gedulden. Die über 200 Liter Blut, die gestern zusammenkamen, waren da weit mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Organisatorisch sei das Rote Kreuz bestens gerüstet gewesen, schreibt die größte Kölner Tageszeitung: „30 Blutspender konnten sich gleichzeitig »anzapfen« lassen. 60 Ehrenamtler aus den Rotkreuz-Ortsvereinen im Kreis Euskirchen und 40 Profis aus der Weilerswister Filiale des Blutspendedienstes West sorgten für einen reibungslosen Ablauf.
Für die Ehrenamtler und die hauptberuflichen Kräfte war der Marathon ein besonderes Treffen. „Die sehen sich ja sonst nie bei einer gemeinsamen Veranstaltung“, sagte Rotkreuz-Kreisgeschäftsführer Rolf Zimmermann. Die Blutspender lobte er: „Das sind auch Ehrenamtler, die ihren Mitmenschen einen potenziell lebensrettenden Dienst erweisen - auch ohne vorherige Ausbildung oder Mitgliedschaft in einer karitativen Organisation“.
Kölner Tageszeitung titelt: „Großes Treffen der Lebensretter“
„Großes Treffen der Lebensretter“ titelte denn auch die „Kölnische Rundschau“. Deren Reporterin Daniela Martinak beginnt ihre Reportage vom vierten Blutspende-Marathon des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen mit einer Assoziation zum Veranstaltungsort, der Großdiskothek und Veranstaltungsarena in der Kultur- und Freizeitfabrik Zikkurat: „Die Plattenteller drehten sich nicht, aus den Boxen dröhnte keine laute Musik. In der TON-Fabrik in der Firmenicher Zikkurat war auf der Tanzfläche Platz für 60 Liegen geschaffen worden, auf denen sich gestern beim vierten Blutspende-Marathon wieder rund 450 Spender ihr Blut »abzapfen« ließen.“
Bereits in den vergangenen Jahren seien etwa genau so viele Spender in die ehemalige Fabrik gekommen. „Das hört sich mit Sicherheit viel an und wir sind froh, dass es so viele sind“, zitiert Daniela Martinak mit Rolf Zimmermann den Geschäftsführer des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen: „Aber es könnten auch gerne doppelt so viele sein!“ Nur sechs Prozent der Bürger im Kreis Euskirchen seien regelmäßige Blutspender. Zimmermann weiter: „Eine eher traurige Bilanz, die wir da jährlich ziehen. Jeder einzelne der restlichen 94 Prozent wäre nämlich im Ernstfall auf eine Spende angewiesen.“
Dabei nimmt das Rote Kreuz im Kreis Euskirchen noch eine positive Ausnahmestellung ein: In großstädtischen Gefilden ist die Rate der Blutspender noch weit schlechter. Die Experten des Roten Kreuzes suchen händeringend nach Möglichkeiten, das Blutspenden wieder populär zu machen. So populär wie nach dem Zweiten Weltkrieg, als nahezu in allen Familien Gefallene, Ziviltote und Verwundete zu beklagen waren und die Notwendigkeit für Blutspenden auf der Hand lag.
Blutvorräte reichen gerade mal für einen einzigen Tag . . .
Genau so dringend, eigentlich noch viel dringender werden heute Blutspenden für Operationen sowie in der Behandlung von Krebspatienten sowie Herz- und Magen-Darm-Kranken gebraucht. Statistisch kommt heute erst an vierter Stelle die nichts desto Trotz überlebenswichtige Blutversorgung von Verletzten.
Mit Aktionen wie dem Blutspende-Marathon will das Rote Krteuz im Kreis Euskirchen mehr Spender erreichen. Im Moment arbeite man daran, das Blutspenden an sich zum Event zu machen, so Rolf Zimmermann: „Die Location in der Kultur- und Freizeitfabrik Zikkurat ist klasse. Es ist reizvoll, an einem Ort Blut zu spenden, wo ansonsten gefeiert wird. Auch für uns hat das alles einen besonderen Charakter hier!“
Für die kommenden Monate habe man sich Gedanken gemacht, wie man dem Blutspenden einen neuen Reiz geben kann. So plant das Rote Kreuz im Kreis Euskirchen unter anderem eine „Blutspende-Nacht“, die unter dem passenden Motto „Vampire und Dracula“ veranstaltet werden soll. Außerdem soll es eine „Blutspende-Disco“ geben, mit der man insbesondere Jugendliche anlocken möchte. „Da muss man sich schon einiges einfallen lassen, um die Blutspende zum »In-Thema« werden zu lassen. Aber wir sind auf dem besten Wege“, sagte Rolf Zimmermann im Interview mit Daniela Martinak von der „Kölnischen Rundschau“.
Verschiedene Teams des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen hatten die Organisation wieder bestens im Griff. „60 Ehrenamtler aus dem Kreis Euskirchen sorgen wieder für einen einwandfreien Ablauf. Dazu kommt noch das Entnahmeteam von 40 Leuten“, so Rolf Zimmermann. Alles sei seit Wochen genau durchgeplant worden, unter anderem die Einsatzpläne für die insgesamt neun Stationen. Zimmermann: „Die Leute sollen sich wohl und gut beraten fühlen.“
Lange warten musste niemand. Nach der Begrüßung ging es zur Anmeldung, wo entweder vorhandene Blutspende-Pässe vorgezeigt oder neue Daten erfasst wurden. Danach war der Bogen mit Fragen zur Gesundheit und eventueller Medikamenteneinnahme auszufüllen. Nach dem Werte und Temperatur ermittelt waren, standen mehrere Ärzte für Gespräche zur Verfügung, bevor es „ernst“ wurde und es zur Blutspende-Station ging. Nach der Spende soll man sich zunächst zehn Minuten ausruhen und dann einen Imbiss zu sich nehmen.
Rotes Kreuz will jetzt vor allem junge Leute motivieren
„Holland ist in Sachen Blutspende für uns ein großes Vorbild“ sagte Heinz Kapschak, der Pressereferent des Blutspendedienstes West in Breitscheid, im Interview über die Knappheit an Blutkonserven besonders im Sommer. „Ich bin ganz und gar begeistert von dem Event heute“ sagte Kapschak in der Zikkurat am Rande des vierten Blutspende-Marathons des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen.
„Die ganze Atmosphäre hier in dem Gebäude stimmt einfach. Das gibt der Aktion einen besonderen Charme und so können wir vielleicht auch Jugendliche ansprechen und sie vom Blutspenden überzeugen“, sagte Kapschak auf die Fragen von Daniela Martinak. Es seien mehr die älteren Leute, die zu den Blutspendeterminen des Roten Kreuzes kommen, sagte der Pressereferent auf die Frage nach dem Altersdurchschnitt: „Mit Aktionen wie dieser heute hoffen wir, auch die Jugendlichen zu erreichen. So sind sie in ihrer gewohnten Umgebung und fühlen sich vielleicht auch wohler dabei. Wir müssen sie an die Wichtigkeit der Blutspende heranführen. Wenn nur jeder dritte Jugendliche Blutspenden würde, hätten wir weniger Sorgen.“
Kapschak äußerte sich auch zur Knappheit an Blutkonserven in Deutschland: „Es gab mal Zeiten, da war Nordrhein-Westfalen mit anderen Bundesländern das Schlusslicht, aber diese sind vorbei. Mittlerweile müssen sich alle Sorgen um die nächsten Tage machen. Wir vom Blutspendedienst West versorgen 170 Krankenhäuser rund um Köln und Düsseldorf mit Blutkonserven. Diese werden täglich mit bis zu 1500 Konserven beliefert. Eine enthält 280 bis 300 Milliliter Blut. Das wären dann circa 450 Liter am Tag. Das hört sich vielleicht im ersten Moment viel an, aber es reicht so gerade.“
Der Vorrat an Blutkonserven reiche oft nur für einen Tag. Ziel sei es, auf drei Tage zu kommen, so Kapschak: „Aber da sind wir im Moment noch ganz weit von entfernt. Was wäre, wenn jetzt zum Beispiel ein großer Unfall mit Hunderten Verletzten passiert, kann ich Ihnen nicht sagen. Bis 1997 war es so, dass viele Unfallzeugen vor Ort noch schnell gespendet haben, aber nach dem neuen Transfusionsgesetz ist das nicht mehr möglich. Dieses besagt nämlich, dass jeder Spender und das Blut zuvor untersucht werden müssen.“
Die Niederlande seien in Sachen Blutspende ein großes Vorbild für die Bundesrepublik. Heinz Kapschak: „Deren System ist unschlagbar. Da werden Kinder von klein auf an das Blutspenden herangeführt, immer mitgenommen und von Anfang an darüber aufgeklärt, wie wichtig die Sache ist. Holland ist ein großes Vorbild für uns!“