Mechernich - Bundeswehr wächst wieder
Neujahrsempfang beim Standortältesten Lars Rauhut der Bundeswehr-Garnisonsstadt Mechernich so gut besucht wie schon lange nicht mehr, darunter auch Rotkreuz-Chef Rolf Klöcker und der Kameradschaftsleiter Sascha Suijkerland – Fazit einer lockeren Diskussionsrunde mit Bundeswehr-Auszubildenden: „Streitkräfte sind ein ausgezeichneter Arbeitgeber und hervorragender Ausbildungsbetrieb“
Mechernich – Vom „irrlichternden“ Phänomen Trump, das hoffentlich eine vorübergehende Erscheinung bleibe, die mit den nächsten Präsidentschaftswahlen vorbei ist, über die tagtäglich abzuwehrenden Angriffe auf die der Bundeswehr-EDV durch feindliche Cyberkrieger bis zu der nicht eben euphorisch stimmenden geopolitischen Lage spannte der Mechernicher Bundeswehr-Kommandeur Lars Rauhut seine Ansprache beim Neujahrsempfang 2019 in der früheren Depotkantine.
Gemessen an den Neujahrsempfängen der beiden Vorjahre herrschte Hochbetrieb. Rotkreuz-Chef Rolf Klöcker und der Mechernicher Kameradschaftsleiter Sascha Suijkerland, Willi Greuel und Reiner Züpll von der Hilfsgruppe Eifel, Dirk und Justin Gemünd vom Förderverein des Nationalparks Eifel, Gymnasialdirektor Micha Kreitz, Freilichtmuseumschef Dr. Josef Mangold und viele andere mehr wurden gesehen.
Unter den weit über hundert Gästen befanden sich zahlreiche aktive und ehemalige Soldaten und Zivilbedienstete sowie Vertreter anderer Dienststellen und hochrangige Vertreter von Polizei und Feuerwehr.
Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick war ebenso gekommen wie Vize-Landrat Markus Ramers. Mit Vize-Bürgermeister Günter Kornell und dem Ersten Beigeordneten Thomas Hambach hatte Dr. Schick gleich zwei Stellvertreter mitgebracht, die es bei der Bundeswehr zu Offizieren gebracht hatten.
Gäste aus Politik und Gesellschaft
Auch „echte“ Reservisten von der Kameradschaft Mechernich um Karl-Heinz Cuber und Robert K. Lang waren vertreten, Michael Grothe vom Bundeswehrverband und Oberstleutnant a.D. Roland Späth von der Standortkameradschaft Euskirchen.
Musikerinnen der Musikschule Euskirchen unter Viktor Wittmann untermalten den Empfang, der in einen regen Gesprächstausch mündete, darunter die Violin-Solistinnen Luisa Dippold, Linda Peintinger und Klara Engels, die unlängst bei „Jugend musiziert“ erfolgreich abgeschnitten hatten.
Viel Applaus gab es auch für eine lockere Diskussionsrunde unter der charmanten Leitung von Manfred Lang, dem stellvertretenden Rotkreuz-Vorsitzenden von Mechernich, über die Bundeswehr als Arbeitgeber und insbesondere als Berufsausbilder, an der sich die Mechernicher Azubis Pascal Schreurs (Feuerwehr), Kevin Maljers und Daniel Weinhold (Lagerlogistiker Depot West), Kimberly Jaqueline Wollweber und Marcin Zawalniak (Medizinische Fachkräfte, Sanitätszentrum), sowie Christopher Willms (Kalibrierzentrum der Bundeswehr) beteiligten.
Fazit: Die Bundeswehr ist mit 175.000 Soldaten und rund 70.000 Zivilbeschäftigten nicht nur einer der größten Arbeitgeber in Deutschland. Sie bildet auch ständig 5000 junge Menschen an 120 Standorten in 40 zivil anerkannten Berufen aus.
In Mechernich befindet sich sogar eine von der IHK anerkannte Art „Bundeswehr-Berufsschule“ (ZAW = Zentrale Aus- und Weiterbildung), die Gesellen und Meister hervorbringt, Kaufleute für Speditions- und Logistikleistungen und Wirtschaftsfachwirte.
Gelassenheit und Gründlichkeit
Kimberly Wollweber, die bereits eine andere zivile Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, bescheinigte dem Mechernicher San-Zentrum eine ganz ausgezeichnete Ausbildungsleistung. Auch die Lagerlogistiker Daniel Weinhold und Kevin Maljers berichteten von der intensiven Begleitung durch Vorgesetzte und Mitarbeiter: „Alles geschieht sehr gründlich und wird so oft erklärt und wiederholt, bis man wirklich alles verstanden hat und nachvollziehen kann.“
„Kein Vergleich zur hektischen Industrie, wo alles schnell-schnell gehen muss im Dienst der Produktionsabläufe und mit wenig Nachsicht für den Einzelnen“, ergänzte Christopher Willms, der zurzeit auf seinen „Gerätelektroniker“ noch den „Kalibriertechniker“ aufsattelt und bereits mit einem weiterführenden Fernstudium begonnen hat.
Der einzige Haken an der Sache, fanden alle Azubis: Die Bundeswehr macht ihre vielfältigen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu wenig publik. Brandmeister Pascal Schreurs, der seine Abschlussprüfungen gerade unter Dach und Fach hat, war vorher Zeitsoldat für 13 Jahre und erfuhr als Bundeswehrfahrlehrer von Fahrschülern von der Möglichkeit, sich nach Abschluss seiner Dienstzeit zum Beamten im Feuerwehrdienst ausbilden lassen zu können.
Aber auch er schwärmte vom guten Innenverhältnis und von der vielfältigen Feuerwehr-Ausbildung, die alle denkbaren Einsatzgebiete einschließt, auch in U-Booten und an Kampfjets. In Mechernich stelle die Untertageanlage eine Spezialanforderung dar.
Übrigens erklärten alle Auzbis unisono, dass sie sich wünschen, nach Abschluss ihrer Ausbildung bei den Streitkräften bleiben zu können. „Auch die Bezahlung ist weitaus besser als ihr Ruf“, erklärte der künftige Kalibriertechniker Christopher Willms. Viele Gäste zeigten sich bei den anschließenden Gesprächen stark beeindruckt.
Kompakte Ansprache
Das galt auch für die kompakte Neujahrsansprache des Kommandeurs und Standortältesten Oberstleutnant Lars Rauhut, der auch die Entwicklungen am Standort Mechernich für die breite Öffentlichkeit transparent machte. So unter anderem, dass das unlängst abgegebene Lager Koblenz mit 85 Bediensteten womöglich bald wieder unter der Stabshoheit des zurzeit etwa 560 „Mann“ starken Bundeswehrdepots West in Mechernich firmiert.
Auch vom Wegzug des Sanitätszentrums und der zurzeit in Mechernich untergebrachten Familienbetreuung nach Euskirchen war die Rede. Rauhut, der das Depot West befehligt, aber auch Standortältester der Bundeswehr in der Garnisonsstadt Mechernich ist, stellte mit dem Betriebszentrum IT-System, dem Kalibrierzentrum, der Abgesetzten Fachgruppe Mechernich des Systemzentrums 23, dem Waffensystem-Unterstützungszentrum Flugabwehrraketen, der Familienbetreuung und dem Sanitätsversorgungszentrum, dem Bundeswehr-Dienstleistungszentrum, der Bundeswehrfeuerwache und der Truppenküche auch die anderen Einheiten in der Bleibergkaserne vor.
Nach über 25 Jahren Truppenabbau in der Bundeswehr habe sich das Blatt gewendet. Ziel sei es, bis 2031 in allen Fähigkeits-Dimensionen, also zu Lande, zu Wasser, in der Luft wie im Cyber- und Informationsraum bestimmte Fähigkeiten zu erreichen. Rauhut: „In Zahlen heißt das z.B. einen Aufwuchs bis 2023 um rund 11.000 Menschen. Finanziell soll der Verteidigungsetat dabei von heute ca. 43 Mrd. auf dann 60 Mrd. wachsen, damit die gestiegene Aufgabenlast bewältigt werden kann.“
„Verstärkt als Europäer handeln“
Zur verteidigungsstrategischen Lage vertrat der oberste Offizier der Bundeswehr in Mechernich die Ansicht: „Gerade die USA oder die Türkei scheinen keine strategisch ausgerichtete Außen- und Sicherheitspolitik mit den Verbündeten mehr betreiben zu wollen, sondern agieren fast tagespolitisch wie es gerade opportun zur Erreichung der eigenen Ziele zu sein scheint.“
Der amerikanische Präsident habe innerhalb eines halben Jahres die Regierungschefs Russlands, Nordkoreas oder der Türkei wahlweise als seine „Best Friends“, dämonische Diktatoren oder verlässliche Partner bezeichnet. Rauhut: „Und das schlimme ist, das konkrete politische Handeln folgt zugleich – wie beispielsweise der Beschluss zum Abzug der US-Soldaten aus Syrien beweist, der im Übrigen im Bündnis in keiner Weise vorbesprochen wurde.“
Es stelle sich also die Frage, wie die Bundesrepublik Deutschland sich in ihrem außen- und sicherheitspolitischen Handeln zukünftig aufstellen sollte, um gerade dem „Unilateralismus der großen Mächte zu begegnen“
Rauhut: „Die Antwort kann hier aus meiner Sicht nur heißen – wir müssen verstärkt als Europäer handeln ohne das transatlantische Bündnis zu gefährden oder gar aufzuheben. Ersteres haben wir ein stückweit als das gestaltende Land in Europa selbst in der Hand. Hier gilt es eigene europäische Verteidigungsfähigkeiten aufzubauen, um als Europäer im Notfall auch alleine – ohne den transatlantischen Partner – agieren zu können.“
pp/Agentur ProfiPress