"Prag im Herbst 1989 - Teil 3 - 1. warme Mahlzeit aus dem Feldkochherd
Nach dem Eintreffen der Kochgruppe und dem Entladen der Fahrzeuge wird am nächsten Tag die Küche in Betrieb genommen. Rund 650 Personen werden an diesem Tag verpflegt.
Freitag, den 22.09.89
7:30 Uhr
Frühstück für uns
8:00 Uhr
Beginn Kocheinsatz
Erste warme Mahlzeit aus dem Feldkochherd, bisher Selbstversorgung der Betroffenen z.B. Epa - Fertiggerichte warmgemacht
Frühstück + Abendessen läuft in Eigenregie der Betroffenen - sie bestellen beim Hausmeister für den nächsten Tag, was sie brauchen, Brot + Butter + Obst + Zigaretten usw. werden von den Bediensteten der Botschaft in Prag besorgt, geholt und gebracht.
Auslieferung dann an das Versorgungszelt der Betroffenen in der Zeltstadt, Verteilung an die Zelte durch die eigene Lagerleitung.
Jeder, der raucht, bekommt pro Tag eine Schachtel Zigaretten. Nach Protest der Betroffenen werden die einheimischen Zigaretten durch bessere ersetzt.
Die anderen versorgen ihre Bedürfnisse durch den regen Schwarzhandel am Zaun. Hier werden z.B. die guten Bundeswehrschlafsäcke gegen Alkohol getauscht.
Das Wetter ist heiß und trocken. Im Garten ist eine Stimmung wie auf einem Campingplatz.
14:00 Uhr
Essenausgabe
Kasseler, Püree, Sauerkraut, Joghurt, + 2 Dosen - Getränke für ca. 650 Personen
Kasseler stellt uns vor Probleme,
1. ist es nicht in Folie eingeschweißt, sondern lose in Frischhaltefolie eingeschlagen, auf der Fahrt hat es schon Saft gezogen, der sich im LKW und jetzt im Lebensmittellager überall breit macht!
2. das Kasseler ist noch mit Knochen, beim Auslösen gehen die Stücke kaputt, das Filet trennt sich ab, usw. - das liegt an der mangelnden Erfahrung bei uns
- da nur ein Fleischbeil vorhanden ist, zieht sich die ganze Prozedur (650 Stücke) lange hin.
Für 650 Personen ist der Kochraum schon zu knapp, um Kasseler zu kochen, Sauerkraut zu kochen und kochendes Wasser für Püree bereit zu halten. Besonders dann, wenn statt der versprochenen 50 Thermophoren nur 10 Stück à 50 Liter vorhanden sind.
16:00 Uhr
Essenausgabe beendet
Schon beim dritten Essenteilnehmer gab es Diskussionen, weil wir keine Kasselerscheibe für den Hund ausgegeben haben, es gab ja genug Knochen.
18:00 Uhr
Küche + Küchenzelt werden an eine andere Stelle im Hof verlagert, die erste Stelle war uns zugewiesen worden, trotz unserer Bedenken wegen Rauchentwicklung.
Bei Inbetriebnahme der Feldküche ging ein Fenster auf und ein Oberst rief aus: "Das geht aber nicht!". Daraufhin musste die Küche gegen Abend verlagert werden (die Rauchbelästigung war zu groß), auf eine Stelle, die wir von Anfang an vorgeschlagen hatten.
Die Küche war von Herrn Oberst angefordert worden, in der Vorstellung, dass Bundeswehrkochsätze M37 aufgestellt würden.
22:00 Uhr
Dienstende
Bemerkungen: Die Betroffenen sind untergebracht:
1. in Zelten im Garten
2. in Nebengebäuden der Botschaft
- Visa Haus, hier war früher die Visaabteilung untergebracht.
- HOD - Haus, HOD = Hausordnungsdienst, gestellt durch Angehörige des Bundesgrenzschutzes. Diese haben das Haus geräumt und sind in Hotels untergebracht, die sie alle zwei Tage wechseln müssen.
In den Häusern sind vorwiegend Säuglinge und Kleinkinder mit Eltern untergebracht. Sie verfügen über je 2 Toiletten und 1 Dusche + Waschmaschine.
Im HOD - Haus gibt es eine komplette Küche.
Absprache: HOD - Haus bekommt die Zutaten für mittags gestellt, Selbstversorgung durch mehrere eigene Köche. Visa - Haus bekommt das fertige Essen in Thermophoren und gibt in Eigenregie aus.
Nachteil: Es gibt keine Essenmarken. Die Leute stellen sich teilweise zweimal an, oder wollen Essen für ein ganzes Zelt mitnehmen, oder für die Frau und für vier Kinder, die sich nicht anstellen können (oder wollen oder nicht existieren).
Eine Registrierung mit der Ausweis- und Bezugskarte ist dringend angezeigt, es liegen aber keine vor. Wir lassen daher die Ausgabe immer durch die Betroffenen selber durchführen. Die kennen ihre Leute.
Auf Wunsch der Leitung wird Coca Cola nur einmal die Woche ausgegeben. Coca Cola ist hier ein westlicher Luxusartikel, der in der CSSR nicht besorgt werden kann. Es soll keine tägliche Erwartungshaltung aufgebaut werden.
Wir haben uns Matratzen organisiert und schlafen im Flur vor dem Kraftfahrerbüro.
Um 23:00 Uhr wird der Garten zugesperrt durch den Hausordnungsdienst bis morgens 7:00 Uhr.
Die Betroffenen sind gut gelaunt...