Schleiden - DRK stellte sich der Vergangenheit
Delegierte des DRK-Landesverbandes Nordrhein trafen sich auf Burg Vogelsang. Dr. Birgitt Morgenbrod stellte dort eine Studie vor, die sich mit der Bedeutung des DRK während der Nazi-Diktatur beschäftigt hat
Schleiden-Vogelsang – Nach 17 Jahren war am Samstag der DRK-Kreisverband Euskirchen wieder einmal Gastgeber für die Jahreshauptversammlung des DRK-Landesverbandes Nordrhein. Da die 133 Delegierten, die nach Vogelsang kamen, jedoch aus 30 Kreisverbänden stammen und die Jahreshauptversammlungen eigentlich reihum gehen, wären die Rotkreuzler aus dem Kreis Euskirchen streng genommen eigentlich erst in 13 Jahren wieder an der Reihe gewesen. Grund für die außerordentliche Gastgeberschaft war jedoch ein Referat der Historikerin Dr. Birgitt Morgenbrod, die sich in einem Forschungsprojekt mit der Frage beschäftigt hatte, welche Bedeutung das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur besaß. Für diesen Vortrag erschien dem Landesverband die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang genau der richtige Ort.
Dr. Morgenbrod berichtete, dass das DRK 1933 zwar eine Bestandsgarantie von Seiten des Staates erhielt, dass aber aus dem Wohlfahrtsverband sehr schnell eine „hochzentralistische Maschinerie“ wurde, die ganz und gar in den Wehrmachts-Sanitätsdienst eingebunden wurde. Man stellte dem DRK vor allem während des Krieges die „heldische Aufgabe, den Kameraden im stärksten feindlichen Feuer zur Hilfe zu eilen.“ Die alte DRK-Führung habe Hitler diesbezüglich die Treue und Gefolgschaft ihrer über eine Million Mitglieder geschworen und zugesagt, jüdische Mitglieder aus den eigenen Reihen zu entfernen. Schon bald habe man als Rotkreuzler seine arische Abstammung nachweisen müssen. Darüber hinaus, so Morgenbrod, sei die Formensprache der NS-Diktatur übernommen und der Hitlergruß eingeführt worden. Auch wurde den Rotkreuzlern verboten, in Uniform öffentlich Bier zu trinken oder zu rauchen.
Lediglich die Frauenverbände des DRK hätten gegen diese Vereinnahmung heftigen Widerstand geleistet, da sie sich ihrer eigentlichen Aufgaben beraubt sahen. „Doch das Protestpotenzial fiel leider schnell zusammen“, so die Historikerin. Durch führende Vertreter der SS habe das DRK einen radikalen Strukturwandel mitgemacht und sei auf neue rechtliche Grundlagen gestellt worden. SS-Führer hätten schließlich auch die Kontrolle über das komplette Finanzgeschehen übernommen. So sei das DRK schließlich zu einer Institution geworden, die zum einen immer noch ein privatrechtlicher Verband im Sinne der Genfer Konventionen war, zum anderen aber längst als Körperschaft staatlichen Rechts fungierte.
Dennoch sei das DRK ein Glied der internationalen Rotkreuz-Gesellschaft geblieben und habe über entsprechende Kontakte verfügt, die man aber überwiegend nur noch zwecks Staatspropaganda genutzt habe. „Das DRK hat die Situation im NS-Staat und auch die Judenverfolgung verharmlost“, so Morgenbrod. Auch nach Konzentrationslagerbesuchen wie in Theresienstadt habe es lediglich eine positive Berichterstattung gegeben.
Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass die Rotkreuzler damals unter einem großen Druck gestanden hätten. „Jedem wurde ein schriftliches Ehrenwort abverlangt, treu zur Regierung zu stehen“, berichtete die Referentin. Ansonsten sei einem deutlich mit Konsequenzen gedroht worden. Dennoch sei es Fakt, dass das DRK sich von seinen „humanitären Prinzipien“ in der Zeit der NS-Diktatur entfernt habe. „Nach 1945 hat man dafür einen hohen Preis bezahlt. Die Alliierten sahen das DRK als nazifiziertes Hilfsinstrument der Wehrmacht und sprachen ein Verbot aus.“ Beim Neuanfang des DRK schließlich sei die „historische Hypothek“ sehr schnell in Vergessenheit geraten.
Der Präsident des DRK-Landesverbandes, Hans Schwarz, betonte am Ende des Vortrags: „Möge uns Gleiches in der Zukunft nicht wieder geschehen“ und er mahnte: „Der Mensch ist manipulierbar.“
Um zu zeigen, dass das DRK mit dieser düsteren Zeit heute nichts mehr gemein hat und im Gegenteil gerade seine internationale Ausrichtung betont und konsequent auf Integration setzt, hatte DRK-Kreisgeschäftsführer Rolf Zimmermann für die Delegierten eine ganz besondere Überraschung: Simona Conrad aus Aachen sang gemeinsam mit dem türkischen Jugendrotkreuz-Chor aus Euskirchen: „Together hand in hand“. Dabei hielt es auch Rolf Zimmermann nicht mehr auf dem Platz. Zusammen mit dem Chor animierte er die Delegierten im Saal, aufzustehen und laut mitzusingen, was diese auch gerne taten.
Zu Beginn der Versammlung hatte Hans Schwarz dem DRK im Kreis Euskirchen bereits seine große Anerkennung ausgesprochen und sich über die Wertschätzung gefreut, die die Rotkreuzler hier in der Bevölkerung finden. Das Engagement auf Kreisebene sei sehr hoch. Gleichzeitig machte Schwarz deutlich, dass sich das DRK verändern müsse. „Wir müssen uns insgesamt modernisieren“, sagte er, denn man habe sich auf ein neues Umfeld einzustellen, dass nicht mehr dem der letzten 40 Jahre entspreche. Es gelte vielmehr auch, auf Konkurrenz zu reagieren.
Landrat Günter Rosenke, der an diesem Tag seinen Geburtstag feierte, ließ für die Delegierten die Historie der Burg Vogelsang bis zur Konversion Revue passieren und betonte, dass in den nächsten Jahren 60 Millionen Euro in diesen Standort investiert würden. „Das neue Vogelsang und das DRK passen gut zusammen“, so der Landrat, beide hätten sich ähnliche Leitbegriffe wie Offenheit, Bildung und Vernetzung auf die Fahne geschrieben. Rosenke erinnerte auch an schwere Unglücke im Kreis Euskirchen, bei denen es ohne das DRK sehr schlimm ausgesehen hätte. Umso mehr freute er sich, dass die Rotkreuzler von Mai bis Oktober mit einer rettungsdienstlichen Besatzung auf Burg Vogelsang vertreten sind. „Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherheit der Gäste“, sagte er und lobte den DRK-Vorsitzenden Erwin Doppelfeld und Geschäftsführer Rolf Zimmermann für die schnelle und unkonventionelle Zusammenarbeit.
Der Schleidener Bürgermeister und DRK-Ortsvereinsvorsitzende Ralf Hergarten erinnerte daran, dass die Stadt Schleiden alle Kindergärten bis auf zwei in die Hände des DRK gegeben habe. „Für uns ist das eine Ideallösung“, sagte er. Offensichtlich sei dies ein Erfolgsmodell, denn neuerdings seien auch die Weilerswister daran interessiert, ihre Kindergärten dem DRK zu überlassen. Hergarten freute sich, dass es auch mit Hilfe des DRK gelungen sei, einen Ort wie Vogelsang, an dem einst menschenverachtende Eliten das Sagen hatten, umzukehren in einen Ort, an dem nun Gemeinschaftssinn praktiziert werde.
„Seit Juli 2009 betreiben wir in einem ehemaligen belgischen Militärgebäude ein Jugend-, Natur- und Umweltbildungshaus, das wir gerne auch Ihren Rotkreuz-Gemeinschaften als Seminar- und Tagungshaus oder für Ferienfreizeiten anbieten“, so Erwin Doppelfeld, der sich bei den Delegierten vor allem dafür bedankte, einen so weiten Weg zurückgelegt zu haben.
Landesgeschäftsführer Günther Neuses stellte sodann den Arbeitsbericht des vergangenen Jahres vor und übte schwere Kritik am „Kahlschlag in den Sozialhaushalten“. Das DRK werde in der Gesellschaft noch viel mehr gebraucht als früher, müsse aber gleichzeitig massive Mittelkürzungen hinnehmen. „Wir werden daher als DRK unsere bisherige Zurückhaltung aufgeben“, kündigte er an. Ja, das DRK werde sogar auf die Straße gehen, um gegen die Ungerechtigkeiten im Sozialwesen zu protestieren. Zudem kündigte Neuses an: „Wir werden politischer werden als wir bisher waren.“