Solferino - Back to the Roots
150 Jahre Rotes Kreuz im Kreis Euskirchen: Eifeler Jugendrotkreuzler zogen mit der „Fiacollata 2016“ über das Schlachtfeld von Solferino, auf dem Henry Dunant vor 157 Jahren seine Inspiration zur Gründung des Roten Kreuzes erhielt – Im Unwetter wurden Eifeler nass bis auf die Knochen - Rotkreuz-Kreisvorsitzender Karl Werner Zimmermann und Begleiter besuchten in Genf die Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften
Euskirchen/Solferino/Genf - 40 der über 6000 Fackeln, die am Samstag über das frühere Schlachtfeld von Solferino getragen wurden, hielten Jugendliche aus dem Kreis Euskirchen in Händen. „Das ist ein bewegendes Bild, eine Mischung aus Trauer und Fröhlichkeit“, kommentierte der Euskirchener Rotkreuz-Kreisvorsitzende Karl Werner Zimmermann.
Über zwölf Kilometer geht der nächtliche Fackelzug durch die leicht hügelige Campagna im Süden des malerischen Gardasees von Solefrino nach Castiglione, wo der junge Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant vor 157 Jahren mit den Frauen von Castiglione Bergung, Hilfe, Verbände, Nahrung und Zuwendung für die 9000 Verwundeten und Verstümmelten aller beteiligten Nationen organisierte. „Tutti fratelli e sorelle“ (Wir sind alle Brüder und Schwestern) sollen sie den skeptischen Ehemännern und Vätern zugerufen haben.
In der starken Gruppe der Euskirchener ziehen Laura, Jasmin, Liesa und Herbert, Nadja aus Dahlem, Olli aus Euskirchen, Inga aus Weilerswist und Annika aus Kall mit. Am Horizont sind die südlichen Ausläufer der Alpen zu sehen. Wie ein feuriger Drachen schlängelt sich der Zug aus Tausenden Rotkreuzlern durch die Felder des norditalienischen Hügellandes. Mitten drin die Gruppe aus Euskirchen und der Eifel.
Ergriffenheit und Freude mischen sich wie die Gruppen junger Leute und die Buntheit ihrer T-Shirts und Herkunftsländer. Hier hat der Krieg getobt und Zehntausende Opfer gefordert, hier hat aber gleichzeitig die Geburtsstunde des internationalen Roten Kreuzes geschlagen.
„Es sind junge Rotkreuzangehörige aus aller Welt hier im Fackelzug“, berichtet der Schleidener Ortsvereinsvorsitzende Rolf Zimmermann, vor allem Italiener, Österreicher, Franzosen und Deutsche. Und damit Jugendliche aus jenen Ländern, die sich hier am 25. Juni 1859 mit ihren 300.000 Mann starken Truppen bis an die Zähne bewaffnet im italienischen Unabhängigkeitskrieg gegenüberstanden.
„Rotkreuz-Feeling pur“
Zimmermann, der schon im Jahr 2009 an den Feierlichkeiten zum 150. Jahrestag der Schlacht bei Solferino mit über 15 000 Teilnehmern aus aller Welt teilgenommen hatte, beschrieb die Atmosphäre bei der „Fiacollata 2016“ so: „Es ist eine Mischung aus Gänsehautgefühl und ausgelassener Lebensfreude, die einen mitreißt. Das ist auch für einen alten Hasen Rotkreuz-Feeling pur.“
Zimmermann zitiert in dem Zusammenhang einen Kollegen, der nach der „Fiacollata 2009“ sinngemäß gesagt hatte: „Du hast Dich im Lauf der Jahre daran gewöhnt, dass Du als Rotkreuzler nur ein Tropfen im Meer bist und die Welt nicht verändern wirst. Und plötzlich merkst Du, Du bist nicht allein, es gibt viele Tausend, ja Millionen anderer Tropfen in diesem Meer, und das verändert die Welt doch.“
Seit etwa 15 Jahren nehmen Jugendrotkreuzler und ihre Betreuer aus dem Rotkreuz-Ortsvereinen zwischen Hellenthal und Weilerswist an dieser „Fiacollata“ teil. Im Jahr des 150jährigen Bestehens des Rotkreuzortsvereins Schleiden und mit ihm des Kreisverbandes Euskirchen sind des besonders viele. Mit einem großen Rotkreuz-Omnibus sind sie über Nacht angereist. Viele haben eigens für diese internationale Friedensdemo schulfrei bekommen.
Dabei wäre die „Fiacollata 2016“ fast wörtlich „ins Wasser gefallen“. Punkt 18 Uhr, als sich die ersten 500 Teilnehmer im Hof des 1859 gestürmten Castells der Habsburger in Solferino zum Auftakt versammeln, geht ein ganz gewaltiges Gewitter über der Campagna nieder. Die Eifeler und Euskirchener werden nass bis auf die Knochen und müssen erst zum Umziehen zurück ins Camp. Dann geht es, kurz vor Castiglione, mit dem Rotkreuzbus zurück zum Fackelzug. „Die gute Stimmung ist ungebrochen“, registriert Karl Werner Zimmermann. Die Jugendlichen skandieren lautstark Friedensparolen.
In der Gebeinkirche von Solferino am Freitag vor der Fiacollata: Es herrscht unabgesprochenes Schweigen unter den jungen Rotkreuzlern aus dem Kreis Euskirchen. Keiner der Betreuer hat etwas angeordnet. Doch zwischen den ausgebleichten Knochen und Schädeln der Gefallenen von Solferino, die man zu seltsam anmutigen Mosaiken und Mustern zusammengefügt hat, ist offenbar keinem nach Geräusch zumute. Das Schweigen ist nicht aufgesetzt, kein Anhauch von Pathos, nur das richtige Gespür, am rechten Ort das Richtige zu tun . . .
Während der DRK-Bus über den Brenner am Donnerstag eintraf, hatte sich eine siebenköpfige Delegation um den Rotkreuz-Vorsitzenden Karl Werner Zimmermann bereits am Vortag von Euskirchen aus nach Genf zu den Schaltzentralen des Internationalen Roten Kreuzes in der Schweiz aufgemacht.
Besucht haben die Eifeler dort unter anderem das Internationale Rotkreuzmuseum am Sitz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (ICRC) und die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Roter-Halbmond-Gesellschaften (IFRC, International Federation of Red Cross and Red Crescent Societes) , in der 197 nationale Gesellschaften wie das Deutsche Rote Kreuz zusammengeschlossen sind.
Bei der Föderation traf die Euskirchener Delegation unter anderem mit Frank Mohrhauer, dem Leiter der Zentralabteilung (Cooperation and Government Support Department) zusammen. Der aus dem benachbarten Rotkreuz-Kreisverband Jülich (Kreis Düren) stammende Rotkreuz-Funktionär sprach mit den Euskirchenern unter anderem auch über den weltweiten (!) Rückgang der Ehrenamtlichkeit – nicht nur im Roten Kreuz.
„Weltweit positiv Verrückte“
Gleichwohl gebe es noch Korpsgeist unter den weltweit 95 Millionen Rotkreuz-Aktiven: „Wenn Du in Nagasaki oder Kuala Lumpur irgendwo in eine Rettungswache oder eine Rotkreuzbereitschaft kommst, dann merkst Du nach einer gewissen Zeit, das sind die gleichen im positiven Sinne Verrückten wie in Euskirchen oder Jülich.“
Die Fiacollata ist angesichts der langen Rotkreuzgeschichte eine noch relativ junge Tradition. Es gibt den Fackelzug von Solferino seit 1992. Zum vierten Mal spielt sich im Kreis Euskirchen und zwar in der Rotkreuz-Akademie Vogelsang eine noch jüngere Tradition ab, die ebenfalls internationalen Charakter hat: Das „International Peace-Camp“ des Roten Kreuzes vom 6. bis 20. August , für das sich bislang junge Menschen aus Pakistan, Italien, Finnland, Deutschland, Belgien, Österreich und Albanien angemeldet haben.
Bei der „Fiacollata 2016“ am Wochenende in Solferino haben die Jugendrotkreuzler aus dem Kreis Euskirchen für diese ebenfalls internationale Friedensveranstaltung der Rotkreuz-Akademie Vogelsang kräftig die Werbetrommel gerührt.
pp/Agentur ProfiPress