Zülpich - Ein Jahrhundert gelebte Mitmenschlichkeit
Rotkreuz-Ortsverein Zülpich feiert sein 100-jähriges Jubiläum – Zülpicher Hilfeleistungszentrum lädt am 15. September zum Tag der offenen Tür – Landrat Rosenke und Bürgermeister Bergmann waren bei einer Pressekonferenz für das große Jubiläum – Auch DRK-Vize-Präsident Dr. Volkmar Schön kommt
Zülpich – Hundertsten Geburtstag feiert das Rote Kreuz in Zülpich am Samstag, 14., und Sonntag, 15. September. Und zwar mit einem großen Festkommers und der Ausstellung „100 Jahre Rotes Kreuz in Zülpich“ am Samstagabend im FORUM Zülpich. Sonntags ist dann Tag der offenen Tür im Rotkreuz-Hilfeleistungszentrum in der Industriestraße 12.
Genau dort fand am heutigen Donnerstag auch eine Pressekonferenz statt, bei der das große Fest und die Festschrift vorgestellt und breite Solidarität mit dem Roten Kreuz der Römerstadt demonstriert wurde. Dabei waren auch Landrat Günter Rosenke, der seit den 90er Jahren Schirmherr des Rotkreuz-Kreisverbandes ist, und Zülpichs Bürgermeisters Albert Bergmann, der Vize-Vorsitzender „seines“ Jubiläums-Ortsverbandes Zülpich ist.
Vorsitzender Lothar Henrich gab vor den Medienvertreten einen Schnelldurchgang durch die Historie des Roten Kreuzes, das dieses Jahr 150 Jahre alt wird, und im Besonderen natürlich durch die des Ortsvereins Zülpich, der nach 100 Jahren nun auf seine Gründung im Jahre 1913 zurückblicken kann. Neben Rosenke, Bergmann und Henrich standen auch Gemeinschaftsleiter Thomas Heinen, Vize-Vorsitzender Burkhard Rhiem und Schatzmeister Ernst-Georg Fiege den Pressevertretern Rede und Antwort.
Anlässlich des Events im September wird auch Dr. Volkmar Schön, Vize-Präsident des Deutschen Roten Kreuzes erwartet. Er vertritt den obersten Rotkreuzler der Republik, Ex-Minister Dr. Rudolf Seiters, der sich mit einem Grußwort an der zum Jubiläum vorgelegten 130-seitigen Festschrift beteiligt hat.
Seiters, der dem Zülpicher Ortsvereinsvorsitzenden und früheren Landesbereitschaftsführer Lothar Henrich eng verbunden ist, nennt das Rote Kreuz von Zülpich darin einen „der aktivsten Ortsvereine im Kreisverband Euskirchen“. Der Ortsverein verfügt über 171 aktive Mitglieder sowie sage und schreibe 830 Fördermitglieder.
„100 Jahre gelebte Mitmenschlichkeit“, schreibt Hans Schwarz, der Präsident des Rotkreuz-Landesverbandes Nordrhein, seien eine Tatsache, auf die man stolz sein könne. Den „uneigennützigen Einsatz“ der Mitglieder des Zülpicher Ortsvereins lobt Schwarz in der Festschrift als „vorbildlich“.
Der Tag der offenen Tür im Zülpicher Rotkreuz-Zentrum beginnt am Sonntag, 15. September, um 11 Uhr mit einer Heiligen Messe und bietet bis 18 Uhr vielseitige Vorführungen. Bundes- und Feuerwehr, Polizei und natürlich das Rote Kreuz selbst präsentieren sich vor Ort. Gegen 12.30 Uhr wird die Landung eines Rettungshubschraubers der Bundesluftwaffe erwartet. Darüber hinaus gibt es vielfältige Aktionen beim „Tag der offenen Tür“, unter anderem eine Fahrzeugausstellung, Demos der Rettungshundestaffel, eine Oldtimer-Ausstellung der Polizei, Clown- und Puppentheateraufführungen.
In der heutigen Pressekonferenz lobte Landrat Günter Rosenke das Engagement des Zülpicher Ortsvereins: „Ich freue mich, dass es hier so viele Menschen gibt, die für andere Menschen da sind“. Es sei „allerhand, dass es in Zülpich gelingt, so viele ehrenamtlich Aktive, auch junge Leute, bei der Stange zu halten.“ Der Landrat, der dem Roten Kreuz schon vor seiner Laufbahn als Kreispolitiker nahestand, appellierte in der Pressekonferenz, möglichst alle Bürger sollten sich fürs Rote Kreuz engagieren: „Zum Beispiel als Blutspender.“
Albert Bergmann sagte, er sei stolz auf „seinen“ Ortsverein, die enge Verbindung zwischen Stadt und Rotem Kreuz, zwischen Bürgermeister und Rotkreuz-Führung, habe in der Römerstadt eine lange Tradition. Bergmann unterstrich auch, dass die hohe Präsenz des Roten Kreuzes in Zülpich dank des Rotkreuz-Hilfezentrums und der Rettungswache dem Sicherheitsbedürfnis und Sicherheitsgefühl der Bürger guttue.
Rotkreuz-Vorsitzender Lothar Henrich stellte in der Pressekonferenz die 130-seitige Festschrift vor, die während es Festkommers am 14. und dem „Tag der offenen Tür“ am 15. September gegen eine Spende an alle Interessenten abgegeben wird. Sie spart die Nazizeit ebenso wenig aus, wie Henrich das heute in der Pressekonferenz tat: „Das Rote Kreuz wurde zwar wie alle Organisationen dieser Art gleichgeschaltet, aber da kamen die Zülpicher lieber hin als in andere Verbände. Die Männerbereitschaft von Hermann Strick hatte damals 100 Aktive, die Frauenbereitschaft unter Ilse Sieger sogar 120.“
Henrich schilderte in der Pressekonferenz auch, wie das Rote Kreuz lange und ausschließlich auf den Kriegs- und sogenannten Verteidigungsfall fixiert war, „eigentlich bis zum Mauerfall 1989“. Seither stünden Individualmedizin und Rettungswesen im Mittelpunkt, was einen wesentlich höheren Ausbildungsgrad und permanente Fortbildung nach sich ziehe.
Zur Abrundung gab Henrich den Anwesenden einen kompakten Abriss der Entstehungsgeschichte des Zülpicher Rotkreuz-Ortsvereins. Es sei ein schöner Zufall, dass das 100-Jährige des Zülpicher Rotkreuz-Ortsvereins 2013 zusammenfällt mit der Gründung des Internationalen Roten Kreuzes in Genf im Jahre 1863. Auch die Gründung in der Römerstadt habe eine Vorgeschichte, die ins 19. Jahrhundert hineinreicht.
Als sich das Rote Kreuz gegen Ende des Jahres 1897 im Raum Euskirchen zu etablieren begann, gab es in den preußischen Provinzen, also auch im Rheinland, bereits den „Preußischen Verein zur Pflege verwundeter Krieger“.
Die erste Zülpicher Sanitätskolonne wurde für den Kriegsfall gegründet. Die Verwundeten-Versorgung war oberstes Ziel. 30 römerstädtische Bürger schlossen sich dieser Sanitätskolonne an, die zum damaligen „Kriegerverein“ gehörte und zum Vorläufer des heutigen Roten Kreuzes von Zülpich wurde.
Der wohl entscheidendste historische Einschnitt, der maßgeblich zur Anbahnung der Gründung des Zülpicher Ortsvereins beitrug, war die Einweihung des Chlodwigbrunnens auf dem Zülpicher Markt. Im Rahmenprogramm der großen Einweihungsfeier am 10. August 1913 fand auf dem Schützenplatz der Bonner Straße eine Übung der Euskirchener Sanitätskolonne des Roten Kreuzes statt.
Diese Übung, so schreibt der städtische Zülpicher Kulturreferent Hans-Gerd Dick, gab vermutlich den Anlass, die Zülpicher Sanitätskräfte zu stärken und unter dem Dach des Roten Kreuzes zu verselbstständigen. Einige Wochen nach der Großübung fand tatsächlich auf Initiative von Bürgermeisters Josef Zander ein Treffen im Rathaus statt, um eine eigene Rot-Kreuz-Sanitätskolonne für Zülpich zu gründen.
Hans-Gerd Dick beleuchtet in seinem Aufsatz zur Geschichte des Roten Kreuzes von Zülpich die spannenden Kriegs- und Nachkriegsjahre des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Anschauliche Illustrationen wie eine Zeichnung vom ersten pferdebespannten Zülpicher Krankenwagen bereichern seine Schilderungen.
Im Ersten Weltkrieg wurde das Zülpicher Krankenhaus Kriegs-Reservelazarett. Dr. Cornel Reuter, der Leiter der Rotkreuz-Sanitätskolonne von Zülpich, wurde zum Lazarettarzt bestellt. Reuter betreute mit dem weiblichen Rotkreuz-Personal sowohl die deutschen Truppen auf dem Vormarsch nach Belgien und Frankreich als auch während des Krieges zurückgebrachte kranke und verwundete Soldaten. Sein Sohn Dr. Wilhelm Reuter beerbte 1927 den Vater als Vorsitzenden des Roten Kreuzes.
Der Historiker Hans-Gerd Dick beleuchtet auch die Geschicke des Jubiläums-Ortsvereins im Nazi-Deutschland. Selbstverständlich wurde auch das Rote Kreuz der Römerstadt „gleichgeschaltet“ und als „Kämpfer ohne Waffen“ in das System des Dritten Reiches eingebunden.
In der Nachkriegszeit wurde die Blutspende ein ganz großes Thema im Roten Kreuz. Die Notwendigkeit, Blut zu spenden, lag wegen der Kriegserlebnisse für die Menschen auf der Hand. Anders als heute, wo Blutspenden bundesweit bereits Mangelware sind, gab es ab 1960 in Zülpich bereits regelmäßige Spendentermine.
Auch heute noch liegt das Blutspende-Aufkommen in der Römerstadt gegen den Trend weit höher als im Rest der Republik. Allein in den vergangenen elf Jahren verzeichneten Lothar Henrich und seine Truppe einen Zuwachs von satten 40 Prozent. Zurückzuführen ist dieser Erfolg auf die sehr gute Zusammenarbeit mit den Vereinen und anderen Institutionen: Tradition hat beispielsweise die Prinzenblutspende in Kooperation mit den Karnevalsvereinen. Aber auch die Schützenbruderschaften und die Kegelvereine ließen sich nicht lange bitten und riefen in den vergangenen Jahren mit dem Rotkreuzlern zum kollektiven Aderlass auf.
Neben dem Blutspendendienst gehören unter anderem auch die überaus engagierte Bereitschaft, die Familienbildung, das äußerst rührige Jugendrotkreuz, die Rolli-Gruppe für Behinderte, die Seniorentanzgruppe und last but not least der Rettungsdienst in der eigenen Rettungswache Zülpich zum Aufgaben- und Angebotsspektrum des Roten Kreuzes von Zülpich.
Erwiesenermaßen engagieren sich die Zülpicher außerdem sehr im Kriseninterventionsdienst (KID) und natürlich bei Auslandseinsätzen im Verbund mit Kameraden aus anderen Ortsvereinen des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen. Die Betreuung von psychisch traumatisierten Personen wie z.B. Unfallbeteiligten gehört auch zum Fähigkeiten-Repertoire des Ortsvereins. Ein 17-köpfiges Team wurde 1999 installiert. Die speziell geschulten Frauen und Männer kümmern sich etwa um traumatisierte Personen und Menschen mit psychosozialen Problemen.
International unterwegs waren die Rotkreuzler in Rumänien, Russland, Makedonien und dem Kosovo. Entweder durch tatkräftige Unterstützung vor Ort oder mithilfe der Bereitstellung von Hilfsgütern verschiedenster Art. 1999, auf dem Höhepunkt des Kosovo-Konfliktes, absolvierten die Zülpicher sogar einen Blitz-Einsatz.
Nach extrem kurzfristiger Alarmierung am Morgen durch die Einsatzleitung in Bonn wurden die Mitglieder des Zülpicher Teams teils an ihren Arbeitsplätzen abgeholt, um 157 Kriegsflüchtlinge von Skopje nach Karlsruhe zu begleiten. Hintergrund war eine gigantische Flüchtlingswelle von mehr als einer Million Kosovoalbanern aus ihrer umkämpften Heimat.
Mit dem Gynäkologen Dr. Heiner Schierbaum war ein weiterer Zülpicher Aktivist im humanitären Einsatz für das Internationale Komitee des Roten Kreuzes in Mazedonien. Ohne Hightech-Medizin und zu körperlich und seelisch anstrengenden Bedingungen operierte er Kriegsverletzte. Sein persönliches Highlight bei diesem Einsatz: die Geburt eines gesunden Mädchens bei der 100. Entbindung im Lager.
Auch die Räumlichkeiten und Anlagen des Ortsvereins haben sich im Lauf der Zeit gewandelt und sich veränderten wie erhöhten Anforderungen angepasst. So sind die Zülpicher Rotkreuzler seit 2001 im Besitz eines modernen Hilfeleistungszentrums mit eigenen Räumlichkeiten und einer neuen, erst Ende 2012 eingebauten Großküche.
Jahrelang musste oft improvisiert werden, um das hohe Personenaufkommen um und innerhalb des Ortsverbandes Zülpich zu ermöglichen. „Endlich ein eigenes Heim“ – so lautete es dann auch vielstimmig in den Reihen der Zülpicher Rotkreuzler. Denn vorausgegangen war der Eröffnung des Zentrums eine regelrechte Odyssee von einer Herberge in die nächste – darunter auch die ehemalige Bahnhofsgaststätte nebst drei Kellerräumen.
Das Jahrhundert-Jubiläum bietet den Zuschauern nun die Möglichkeit, sich einen umfangreichen Überblick über die Anlagen und Fähigkeiten sowie die Geschichte und das Engagement zu informieren. DRK-Präsident Rudolf Seiters wünscht sich indes eine „schöne und harmonische Jubiläumsfeier“. Und Lothar Henrich, der Vorsitzende des Jubiläums-Ortsvereins sagte heute vor der Presse: „Wir sind nur ein kleines, aber ein wichtiges Rädchen im Getriebe einer großen Weltgemeinschaft!“
pp/Agentur ProfiPress