Euskirchen - Interview mit Rolf Klöcker
Dr. Katharina Hoß vom Projektteam ‚Gesunde Region Eifel‘ im Austausch mit Rolf Klöcker, dem Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK)
Ein Unternehmen wie das Deutsche Rote Kreuz leistet in der momentanen Krisenzeit unverzichtbare Hilfen für den Kreis. Die Beschäftigten sind dabei stark gefordert.
Neben der Unterstützung bei der Gesunderhaltung der Bevölkerung, geht es dem DRK vor allem auch darum, den Mitarbeitenden ein möglichst sicheres und stärkendes Arbeitsumfeld sowie eine gute Arbeitsorganisation zur Verfügung zu stellen.
Denn ohne gesunde Kolleginnen und Kollegen, die sich bei und mit ihrer Arbeit wohlfühlen, wären die Herausforderungen einer Krise nicht zu meistern. Arbeitsbedingungen, die die Resilienz der Beschäftigten stärken, sind daher zentraler Erfolgsfaktor.
1. Welche konkreten Herausforderungen hat das DRK derzeit zu bewältigen? Was hat sich durch ‚Corona‘ verändert?
Rolf Klöcker: Das Deutsche Rote Kreuz hat sich als Wohlfahrtsverband und Hilfsorganisation nicht nur den Herausforderungen zu stellen, die jeder große Arbeitgeber zur Sicherung seiner Arbeitsplätze und der gesamtverbandlichen Strukturen zu bewältigen hat. Vielmehr sind wir zusätzlich und insbesondere zur Unterstützung externer Strukturen wie dem Kreisgesundheitsamt oder der Kassenärztlichen Vereinigung im Einsatz. Wir entlasten durch unseren Corona-Drive-In in Mechernich sowie die mobilen CoViD-19-Abstrich-Teams überlaufende Arztpraxen und Krankenhäuser und stärken damit das Gesundheitssystem im gesamten Kreis. Während andere Arbeitgeber teilweise ihre Betriebe einstellen mussten, haben wir neben der Bewältigung der üblichen Arbeitsbereiche zahlreiche zusätzliche Aufgaben übernommen.
2. Welche konkreten Maßnahmen wurden beim DRK unternommen, um mögliche negative Folgen der Krise zu bewältigen?
Rolf Klöcker: Das Deutsche Rote Kreuz ist natürlich gerade in Krisenzeiten gefragt. Auch wenn keiner mit der Corona-Pandemie rechnen konnte, sind wir auf Krisenlagen gut vorbereitet und haben bei der Bewältigung besonderer Situationen Erfahrung. Zuletzt konnten wir das bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise unter Beweis stellen. Wir haben auch jetzt wieder schnell auf neue Bedürfnisse reagiert und frühzeitig und vorausschauend die unterschiedlichen Bereiche mit realistischen Einschätzungen bis hin zu worst-case-Szenarien geplant, die glücklicherweise nicht eingetreten sind. Das Ziel, vor die Lage zu kommen, ist dabei erreicht worden. Es ist uns gelungen, auf Kurzarbeit gänzlich zu verzichten. Keiner der rund 1.000 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist also von Kurzarbeit und damit einhergehenden Gehaltsminderungen betroffen. Dies konnte dadurch erreicht werden, dass Mitarbeiter, die in Bereichen eingesetzt waren, die zurückgefahren werden mussten, in anderen, teilweise neu an den Start gegangenen Bereichen eingesetzt wurden (CoronaHotline, Corona-Drive-In, mobile Abstrich-Teams, Quarantäne-Betreuung, Café-HenryLieferservice).
3. Welches sind die wesentlichen Stärken des DRK, die zu einer positiven Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen?
Rolf Klöcker: An erster Stelle stehen da die absolut flexiblen und loyalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich schnell auf die neue Situation eingestellt haben und sofort bereit waren, auch andere Aufgaben im Verband zu übernehmen. Dies zeichnet unseren Verband aus und zeigt die hohe Bindung der Kolleginnen und Kollegen an die Organisation. An zweiter Stelle ist die Tatsache zu benennen, dass wir bereits in der Flüchtlingskrise vor einigen Jahren von jetzt auf gleich mit Situationen zu tun hatten, die es vorher in dem Maße nicht gegeben hat und somit durchaus krisenerfahren sind. Die Kenntnisse der Strukturen, Abläufe und Organisationen im Kreis Euskirchen und die gute Vernetzung der Entscheidungsträger haben wesentlich zum Erfolg beigetragen. Schließlich liegt der Erfolg der schnellen Reaktionsfähigkeit und der Fähigkeit, mit solchen Situationen flexibel umzugehen, darin, dass wir im Deutschen Roten Kreuz im Kreis Euskirchen eine außerordentlich gute Zusammenarbeit der rund 1.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer mit den ebenfalls rund 1.000 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorweisen können. Während das Ehrenamt in dieser Situation von jetzt auf gleich z. B. bei der Einrichtung der Hotline für das Kreisgesundheitsamt oder der Einrichtung des Corona-Drive-In in Mechernich in den Einsatz gegangen ist und für die Bevölkerung im Kreis Euskirchen da war, erfolgte im Nachgang schnell die Übernahme durch hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Bereiche, die neue Aufgaben übernommen haben.
4. Was war Ihnen bei der Umsetzung der Maßnahmen besonders wichtig?
Rolf Klöcker: Vorstand und Geschäftsführung war insbesondere an der Sicherung der Arbeitsplätze und Vermeidung von Kurzarbeit gelegen. Ziel war es, unseren Mitarbeitern möglichst schnell die Zuversicht zu geben, dass sie sich – neben der ohnehin schon belastenden Situation – keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz oder um mögliche Gehaltseinbußen machen mussten. In diesem Zusammenhang haben wir viel Wert auf die Einbindung der Mitarbeiter bei den umgesetzten Maßnahmen gelegt. Die Meinung jedes Einzelnen war dabei wichtig. Dazu hat es einen ständigen Austausch mit den Mitarbeitern gegeben, der persönlich, telefonisch, per Mail oder Videokonferenz erfolgt ist. Mit Mitarbeitern, die z. B. ein Kinderbetreuungsproblem oder sonstige persönliche Gründe haben, wurden – soweit möglich – Heimarbeit und flexible Arbeitszeiten vereinbart. Durch veränderte Schichtpläne, die die Mitarbeiter überwiegend selbst aufgestellt haben, und durch die nochmals verstärkten Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen, die bei uns schon immer einen hohen Stellenwert hatten, sowie durch Freistellung von Mitarbeitern, die der Risikogruppe angehören, wurde der Arbeitsplatzsicherheit und der Gesundheit der Mitarbeiter höchste Bedeutung beigemessen.
5. Was wurde getan, damit die Kollegen und Kolleginnen möglichst beruhigt arbeiten können?
Rolf Klöcker: Um das Ansteckungsrisiko zu reduzieren und den Kollegen ein möglichst ‚sicheres‘ Arbeitsumfeld bereitzustellen, wurden umgehend Maßnahmen zur Gesundheitsprävention eingeleitet. Hierzu zählen z. B. die Reduzierung der Mitarbeiterzahl in den Büros, in denen üblicherweise mehr als zwei Mitarbeiter arbeiten. Man hat Kleinteams gebildet, die im Wechsel im Homeoffice bzw. im Büro arbeiten. Schließlich wurden bedarfsgerechte Lösungen gefunden, so dass Beschäftigte mit Kleinkindern die ganze Woche über von zu Hause arbeiten können. Darüber hinaus wurde seitens der Geschäftsführung klar formuliert, dass man alles dafür tue, Kurzarbeit verbunden mit Gehaltskürzungen zu vermeiden.
6. Gab es zudem spezifische Maßnahmen, die unternommen wurden, um den Beschäftigten ein Gefühl von Sicherheit zu geben?
Rolf Klöcker: In Rundmails des Vorstandes und der Geschäftsführung wurde auf die vorbenannten Punkte hingewiesen und damit Transparenz geschaffen. In regelmäßig stattfindenden wöchentlichen Bereichsleiterbesprechungen bespricht der Geschäftsführer mit seinen Bereichsleitern die jeweilige Lage. Die dort getroffenen Entscheidungen werden durch die Bereichsleiter mit ihren jeweiligen Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Bereichen kommuniziert. Dies erfolgt mit den vielen dezentralen Einrichtungen und deren Leitungen durch Video- oder Telefonkonferenzen. Die dafür erforderlichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen wurden durch die IT-Abteilung schnell und verlässlich umgesetzt.
7. Auf welche Weise trägt Ihr Unternehmen dazu bei, den MitarbeiterInnen ggf. den positiven Blick in die Zukunft zu bewahren?
Rolf Klöcker: In Anbetracht der Krisensituation haben viele Beschäftigte zu Höchstleistungen gefunden. Dies wird von Vorstand und Geschäftsführung ausdrücklich herausgestellt. Auch das Lob der Vorgesetzten hinsichtlich des außerordentlich guten Teamgeistes, der einwandfreien Zusammenarbeit und des erreichten Erfolges stärkt das Wir-Gefühl außerordentlich. Die aufgezeigte Transparenz im Umgang mit der Krise beruhigt viele Beschäftigte. Die Besinnung auf unsere Grundsätze und auf unsere Grundhaltung des DRK sowie der wertschätzende Umgang mit den Mitarbeitern u.a. durch gemeinsame Mails von Vorstand und Geschäftsführung, das Eingehen auf persönliche Bedarfe, eine hochflexible Organisation der Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung beruflicher und privater Belange haben ebenso zu einer hohen Mitarbeiterbindung geführt wie das verantwortungsvolle, fürsorgliche und umsichtige Verhalten von Entscheidungsträgern.
8. Wie sorgen Sie dafür, dass der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit unter den Mitarbeitern, aber auch zwischen den Führungskräften und den Mitarbeitern trotz räumlicher Distanz etc. weiterhin gut funktionieren?
Rolf Klöcker: Die wöchentlichen Bereichsleiterbesprechungen finden weiterhin verbindlich statt, teilweise als Video- oder Telefonkonferenzen. Ebenso wurden Videokonferenzen der Bereichsleitungen mit den Leitungen der dezentralen Einrichtungen eingeführt. Ein persönlicher Austausch der Kolleginnen und Kollegen vor Ort bleibt dabei ebenso unabdingbar wie der telefonische Kontakt zu den Mitarbeitern im Homeoffice.
9. Wenn Sie an die organisatorischen und technischen Anpassungen denken, die beim DRK stattgefunden haben. Welche davon werden nachhaltig beibehalten werden?
Rolf Klöcker: Es wird zukünftig sicherlich häufiger Geschäftsführertagungen per Videokonferenz geben. So ersparen sich 29 Geschäftsführer im Landesverband Nordrhein die Anreise nach Düsseldorf, was zeitliche und wirtschaftliche Ressourcen spart und darüber hinaus umweltbewusster ist. Ebenso wird es häufiger Video-Konferenzen mit den Leitungen der vielen dezentralen Einrichtungen im Kreis geben. Vor allem wird die Flexibilisierung der Arbeitsplätze beibehalten werden. Insbesondere wird die Möglichkeit der neu eingerichteten Home-Office-Arbeitsplätze weiter genutzt werden. Hier hat unsere IT-Abteilung in den letzten Wochen eine herausragende Arbeit geleistet.
10. Hat die Corona-Krise auch positive Effekte für das DRK? Welche Veränderungen werden ‚nach‘ der Krise beibehalten werden?
Rolf Klöcker: Die Corona-Krise wird – wie die Bewältigung der Flüchtlingskrise vor einigen Jahren – dazu führen, dass die erfolgreiche Arbeit der einzelnen Teams diese auch über ihren jeweiligen Einsatzbereich hinaus noch enger zusammenschweißen wird. Ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben verstärkt das Gefühl, im Zeichen der Menschlichkeit und der Grundsätze des Roten Kreuzes einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung des Gesundheitssystems sowie zur sozialen Betreuung einer Vielzahl von Mitbürgern im Kreis Euskirchen geleistet zu haben. Das verbindet ebenso wie die Gewissheit, dass ihre Leistung auch in der Öffentlichkeit und von Politik und Verwaltungen erneut beachtet und wertgeschätzt wird.