Der Krieg ist beendet, die Probleme bleiben
Pfarrer Antony Sathish aus Sri Lanka besicht zur Zeit die Kerngruppe von „Eifel Aid“, die unter dem Dach des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen seit der Tsunamikatastrophe in dem Inselstaat hilft
Euskirchen/Sri Lanka – „Der Krieg ist vorbei, aber die Probleme sind geblieben“, sagt Pfarrer Antony Sathish über sein Heimatland Sri Lanka. Sathish besucht zur Zeit die Kerngruppe von „Eifel Aid“, jene Untergruppe des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen, die sich nach der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean am 26. Dezember 2004 gebildet hatte. Zusammen mit den „Eifel-Aid“ Aktivisten Thomas Schwarzer, Winfried Dederichs und Dr. Joachim Rechmann, die alle bereits im Rahmen von Hilfseinsätzen Sri Lanka besucht haben, berichtet der Pfarrer über die politische Situation in seinem Land und vor allem über das Leid vieler Menschen.
„Es gibt immer noch viele Camps, in denen etwa 300 000 Menschen gefangen gehalten, gefoltert und ermordet werden“, sagt der Pfarrer und nennt die Lager in einem Atemzug mit Konzentrationslagern. In diesen Camps seien Tamilen eingesperrt, die größte Minderheit in dem Inselstaat im Indischen Ozean. Dr. Joachim Rechmann: „Die Lager sind in abgeriegelten Gegenden, wo auch wir mit dem Roten Kreuz nicht hereinkommen. Aber ich habe Bilder gesehen – mit Macheten verstümmelte Hände, abgeschlagene Köpfe.“
Die Abschottung von der Außenwelt sei ein großes Problem, so Reverend Antony Sathish: „Eigentlich müssten da die UN und andere Hilfsorganisationen eingreifen, aber alle werden draußen gehalten.“ Die Singhalesen stellen über 70 Prozent der Bevölkerung, aus ihrer Volksgruppe sei im Prinzip die Regierung zusammengestellt, wie der Pfarrer anmerkt: „Früher gab es noch eine starke Opposition, heute sind alle wichtigen Posten von einem Familienclan besetzt.“ Und die Regierung halte die Öffentlichkeit fern von Informationen über Camps und Massaker.
Im Bürgerkrieg seien viele Tamilen vor den Gewaltausbrüchen geflohen. In seine Heimatstadt Batticaloa mit 30 000 Einwohnern seien etwa 50 000 Flüchtlinge gekommen – ein gewaltiges Problem. Mit Hilfe von „Eifel Aid“ wurde eine Ambulanzstation aufgebaut und unterhalten, 13 Kindergärten auch für Kinder mit Behinderungen wurden aufgebaut. Doch trotzt der Hilfe des Euskirchener Roten Kreuzes gebe es noch viel zu tun.
„Viele haben kein Dach über dem Kopf, keine Arbeit“, sagt Pfarrer Sathish. 80 Prozent der Menschen in seinem Land seien Analphabeten, 50 Prozent lebten mit 25 bis 30 Euro Monatsverdienst unterhalb der Armutsgrenze. Dazu würden die Lebenshaltungskosten seit dem Tsunami und Bürgerkrieg kontinuierlich steigen – allein um 300 Prozent in den zwei Jahren nach dem Seebeben. „Es gibt jetzt weniger militärische Kontrollpunkte und ein paar Straßen mehr, aber das ist nicht genug. Wir brauchen existentielle Hilfe.“
Beim bislang letzten Besuch von Thomas Schwarzer in Sri Lanka im Dezember vergangenen Jahres schien es zwar, als habe sich die Lage entspannt. „Aber wir können nicht hinter die Kulissen gucken, in viele Gegenden kommen wir einfach nicht rein“, so Schwarzer, der bereits siebenmal in Sri Lanka war und dort vor Ort im Namen der Euskirchener Rotkreuzler Lebensmittel, Schulmaterialien und ähnliches eingekauft hat, um die Not zu lindern. Winfried Dederichs war viermal in dem Inselstaat: „Die Dankbarkeit ist sehr groß, die Menschen sind mit sehr wenig zufrieden. Das Wenige, was sie haben, teilen sie noch.“ Joachim Rechmann: „Man kann mit wenig Geld dort viel erreichen: Am Anfang haben wir mit 1000 Euro einen Kindergarten bauen und ausstatten können – heute ist das allerdings wesentlich teurer.“
„Eifel Aid“ leistet auch weiterhin wertvolle Hilfe – obwohl das Spendengeld, das direkt nach dem Tsunami zusammengekommen war, längst aufgebraucht ist. „Wir bieten jetzt mit Hilfe von »Eifel Aid» Gesundheits-Präventionsprogramme an, um weiter nachhaltig zu helfen.“ Auch die Preise für Medikamente würden stetig steigen. Für Renovierungsarbeiten an der Ambulanzstation hat „Eifel Aid“ dem Pfarrer 650 Euro mitgegeben, außerdem übernimmt die Gruppe für vier Monate die Gehälter der Angestellten an der Station für zusätzliche 1200 Euro.
Pfarrer Antony Sathish: „Es muss eine politische Lösung der Regierung her.“ Auch wenn der Bürgerkrieg offiziell beendet, die „Tamil Tigers“ besiegt und entwaffnet sind, sei die Unzufriedenheit vieler junger Tamilen groß – und der Pastor fürchtet, dass im Untergrund die Gewaltbereitschaft bereits wieder blüht.
Er berichtet weiter von einem „gewaltlosen“ Genozid: In den Tamilengebieten siedele die singhalesische Regierung gezielt Singhalesen an, die Sprache Tamil solle aus der offiziellen Sprache getilgt werden, Hindutempel der Tamilen würden zerstört und durch buddhistische Tempel der Singhalesen ersetzt. Reverend Antony Sathish: „Es müssen die Probleme gelöst werden, durch die der Krieg entstanden ist.“
Über das Rote Kreuz kann weiter für die Hilfsprojekte in Sri Lanka gespendet werden, weitere Informationen im Internet unter www.drk-eu.de