Mechernich - Rotkreuzler im Ausnahmezustand
DRK-Kreisvorsitzender Karl Werner Zimmermann bat um mehr Anerkennung in der Öffentlichkeit – Vorstand berichtete über unermüdlichen Einsatz - Durchweg positive Entwicklung in allen Bereichen
Mechernich-Kommern/Kreis Euskirchen – Es war eine beeindruckende Bilanz seines Wirkens, die der Rotkreuz-Kreisverband in seiner Jahreshauptversammlung zog. 80 Delegierte aus elf Ortsvereinen und des Kreisvorstandes sowie Landrat Günter Rosenke als Schirmherr und Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick waren dazu in die Kommerner Bürgerhalle gekommen. Dort lauschten sie nicht nur den außergewöhnlichen Berichten des Vorstandes und der Geschäftsführung für das Jahr 2015, sondern auch den sehr deutlichen Worten, die Kreisvorsitzender Karl Werner Zimmermann zur teils mangelnden Anerkennung trotz der derzeitigen Ausnahmesituation fand.
Als „die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“ bezeichnete er den Einsatz der Rotkreuzler in der Flüchtlingsbetreuung. Er erinnerte an den ersten Einsatz in Kronenburg und dem, was wenige Wochen später folgen sollte: „Die Einsatzeinheiten waren mehr überörtlich unterwegs als am Standort, und dann kamen kurz hintereinander die Notunterkünfte Gemünd und Euskirchen.“ Sowohl für die Haupt-, aber ganz besonders für die Ehrenamtler bedeute dies eine Belastung bis aufs Äußerste, so Zimmermann. Ähnlich sah es auch Kassierer Gerd Fink, der betonte, dass die Betreuung der Flüchtlinge so weit wie möglich über das Hauptamt abgedeckt werden solle. „Auch wenn das Helfen jedem Rotkreuzler in den Genen liegt: Wir können Euch das nicht länger zumuten, immer und immer zur Stelle zu sein“, sagte er an die Ehrenamtler gerichtet.
Wie Karl Werner Zimmermann berichtete, habe der DRK-Kreisverband mittlerweile 55 hauptamtliche Mitarbeiter im Bereich Flüchtlingsarbeit eingestellt. Kreisgeschäftsführer Rolf Klöcker gab bekannt, dass der DRK-Kreisverband bis zum Jahresende auf Bitten des Kreisjugendamtes nun auch noch die stationäre Betreuung von bis zu 20 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen übernehme.
Obwohl man mehrfach bewiesen habe, dass man mit Disziplin und einem hohen Maß an Flexibilität innerhalb von Stunden Aktionen erfolgreich auf die Beine stellen könne, so Zimmermann, fehle in der Öffentlichkeit mitunter der entsprechende Respekt angesichts solcher Leistungen. Es könne nicht sein, dass es Verwaltungen im Kreis Euskirchen gebe, die Miete für die Standorte der Altkleidercontainer verlangten, in Bedrängnis aber beim DRK um das Betreiben einer Kleiderkammer bitten würden. „Und wo wir gerade dabei sind: Auch unsere Helfer freuen sich, wenn sie bei Veranstaltungen von dem ein oder anderen Politiker oder Hauptverwaltungsbeamten gegrüßt und nicht ignoriert werden“, beanstandete der Kreisvorsitzende. Als Grund für die fehlende Achtung führte er an, dass viele denken würden, das DRK werde „für alles und jedes bezahlt“ und vergessen würden, dass man auf Spenden angewiesen sei. „Wir werden darüber nachdenken, ob wir nach außen offensiver als Wohlfahrtsverband auftreten, damit Bürger, Vereine und – leider auch - eigene Kindergartengruppen ihre Spende dem Roten Kreuz geben und erkennen, dass wir damit auch hier vor Ort Gutes tun“, kündigte er an. „Wir sind ein Non-Profit-Unternehmen und nicht dazu da, irgendwem die Taschen zu füllen, sondern das erwirtschaftete Geld produktiv umzusetzen und auch als Arbeitgeber konkurrenzfähig zu bleiben“, unterstrich auch Kassierer Gerd Fink.
Schirmherr Landrat Günter Rosenke zumindest attestierte den Rotkreuzlern in seiner Ansprache, „Enormes geleistet zu haben“ und warnte davor, die Arbeit des DRK als selbstverständlich anzusehen. Ohne das Rote Kreuz hätte man die Notsituation im Kreis Euskirchen nicht so professionell bewältigen können. „Und ihr seid weiterhin gefragt mit eurer Kompetenz und eurem menschlichen Wirken.“ Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick hob die vielen Berührungspunkte mit dem DRK auch im Mechernicher Stadtgebiet beispielsweise in der Jugendarbeit oder bei der Betreuung von Alten und Kindern hervor. „Das Motto, das sich das DRK auf die Fahnen geschrieben hat, setzt es auch voll und ganz um“, lobte er.
Dass der DRK-Kreisverband nicht nur in Sachen Flüchtlinge eine enorme Dynamik an den Tag legt, sondern auch in vielen anderen Bereichen, stellten die Berichte des Vorstandes unter Beweis. Der Bereich der Seniorenreisen wachse von Jahr zu Jahr, in der Familienbildung halte das DRK 50 Angebote mit 450 Kursen bereit. Gefragt wie nie sind derzeit der soziale Kleiderdienst und der Suchdienst im Bereich der Familienzusammenführung. Als Träger von mehr als 30 Kindertagesstätten erlebt der Rotkreuz-Kreisverband vor allem in der Gemeinde Weilerswist einen enormen Zulauf. Hier existiert nicht nur die ohnehin größte Einrichtung mit acht Gruppen, eine weitere mit sechs Gruppen wird in Kürze um zwei weitere auf ebenfalls acht erweitert.
Um einmal zu zeigen, was die ehrenamtlichen Helfer des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen leisten, hatte Kreisgemeinschaftsleiter Jürgen Houbé einen „ganz normalen“ Einsatztag Revue passieren lassen: Insgesamt 178 Freiwillige waren an diesem Mittwoch, 16. September rund um die Uhr und zeitweise bei Starkregen bei der Vermisstensuche nach dem Flugzeugabsturz bei Bergheim und beim Empfang der ersten Flüchtlinge in der Euskirchener Notunterkunft im Dauereinsatz. „Möglich ist so etwas nicht ad hoc, sondern nur, indem wir mit viel Zeit und Aufwand unsere Kräfte ausbilden und vorbereiten“, betonte er.
Mit der Berni-Müller-Verdiensturkunde, der höchsten Auszeichnung des Kreisverbandes, ehrte Karl Werner Zimmermann Sibille Sennerich, die seit 46 Jahren dem Ortsverein Mechernich angehört. „Dort ist sie ein geschätztes Mitglied, auf dessen Rat man gerne baut“, so der Vorsitzende. Ansonsten galt es, langjährige Helfer aus dem Ortsverein Hellenthal zu ehren. Für sage und schreibe 55 Dienstjahre wurde Carola Pesch geehrt, auf drei Jahrzehnte bringt es Doris Klein, die ebenfalls in Kommern ausgezeichnet wurde. Elisabeth Schommer, die dem DRK 50 Jahre angehörte und geehrt werden sollte, war in der Nacht zuvor verstorben. Weitere langjährige Mitglieder sind Martin Maciejewski (20 Jahre), Monika Huppertz (25 Jahre) und Carmen Klinkhammer (30 Jahre).
Außerdem galt es, einen Posten im Vorstand zu besetzten, der bei den Wahlen im vergangenen Jahr unbesetzt geblieben war: Einstimmig ernannte die Versammlung Bianca Züll vom Ortsverein Kall zur zweiten stellvertretenden Kreisvorsitzenden.
pp/Agentur ProfiPress